Wer Pflanzenschutzmittel in seinem Garten einsetzt, sollte sich unbedingt an die Anleitung halten, um so Gesundheitsschäden zu vermeiden.

Hamburg. Pilzbefall am Obstbaum, Blattläuse an Rosen, Moos im Rasen - nicht immer entwickelt sich die Natur so, wie es sich die Hobbygärtner wünschen. Die Chemieindustrie bietet Abhilfe mit zahlreichen mehr oder weniger giftigen Mitteln. Ähnlich wie bei Arzneimitteln ist auch bei ihnen mit Nebenwirkungen zu rechnen. So veröffentlichte der Naturschutzbund (Nabu) gerade einen Bericht zu den Gesundheitsgefahren des Unkrautvernichters Glyphosat (bekannt vor allem unter der Marke Roundup); das NDR-Magazin "Markt im Dritten" sah eine Gefahr in dem Moosvernichter Eisen-II-Sulfat. Was ist dran an den Warnungen?

Glyphosat ist das weltweit am meisten eingesetzte synthetische Unkrautgift (Herbizid). In den USA, vor allem aber in Südamerika wird es großflächig per Flugzeug über Kulturen von Mais und Soja versprüht, die gentechnisch unempfindlich gegen den Wirkstoff gemacht wurden. Das Gift verdriftet durch die Luft und schädigt dadurch auch Kleinbauern am Rande der Riesenfelder. Von hier stammen Berichte über Fehlgeburten, Fehlbildungen und Krebserkrankungen bei Menschen sowie über negative Folgen für Amphibien. Der Nabu fordert deshalb ein Anwendungsverbot für Glyphosat in Deutschland. Denn auch hier wird das Gift massenhaft angewendet, von Landwirten und Hobbygärtnern.

Das Umweltbundesamt (UBA) teilt die Befürchtungen des Nabu nicht. "Wir kennen die amerikanischen Studien zu Schäden an Amphibien. Die Konzentrationen, die zu den Schäden führten, sind allerdings bei sachgerechter Anwendung der in Deutschland zugelassenen glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel nicht zu erwarten", sagt UBA-Pflanzenschutzexpertin Dr. Christina Pickl. Diese Mittel hätten das Zulassungsverfahren durchlaufen, ihr Einsatz sei daher generell vertretbar. Allerdings: "Man darf nicht glauben, dass ein Pflanzenschutzmittel keine Probleme macht, nur weil es zugelassen ist. Das A und O ist eine sachgerechte Anwendung. Hobbygärtner müssen sich unbedingt an die Gebrauchsanleitung halten."

+++ Ein erfolgreiches Rettungsnetz für die Natur +++

Generell kritisiert die Umweltexpertin die Tatsache, dass in Gärten und in der Landwirtschaft immer größere Mengen Glyphosat versprüht werden. Gartenliebhaber sollten missliebige Kräuter lieber ausrupfen oder die Hacke durch den Boden ziehen. Das gelte auch für den Kampf gegen Moos: "Wer im Frühjahr vertikutiert oder den Rasen mit dem Rechen bearbeitet, hat das Gröbste bereits entfernt."

Die chemische Alternative heißt Eisen-II-Sulfat, auch frei verkäuflich angeboten als sogenannter Eisendünger in Eimern. Der NDR warnte kürzlich: "Will man Eisendünger vorschriftsmäßig ausbringen, müssten säurebeständige Schutzhandschuhe, ein Schutzanzug, eine Brille und eine Gesichtsmaske mit Atemschutz getragen werden." Das Sicherheitsdatenblatt des Herstellers Scotts (Marke Substral) empfiehlt diese Ausrüstung (ohne Gesichtsmaske) als Schutz am Arbeitsplatz, also bei der professionellen Anwendung, die sich über viele Stunden hinzieht. Die Vorschriften für Hobbygärtner variieren je nach Einschätzung des jeweiligen Herstellers gewaltig; die Bandbreite reicht von allgemeinen Hinweisen wie "unnötigen Kontakt vermeiden" und "darf nicht in Hände von Kindern gelangen" bis zu Empfehlungen von dicht abschließenden Schutzbrillen und Schutzkleidung.

Auf jeden Fall darf der Mooskiller nicht frei verkäuflich sein: "Mittel mit Eisen-II-Sulfat, die zur Moosvernichtung bestimmt sind, werden rechtlich als Pflanzenschutzmittel eingeordnet. Das Pflanzenschutzgesetz schreibt vor, dass sie generell nicht in Selbstbedienung angeboten werden dürfen, unabhängig von irgendwelchen Eigenschaften oder Einstufungen", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV) gegenüber dem Abendblatt. Einzige Ausnahme: Eisendünger. Sie dürfen aber nicht als Moosvernichter deklariert werden.

Generell ist es nur erlaubt, Pflanzenschutzmittel auf "gärtnerisch genutzten Flächen", also Beeten, Hecken Obstwiesen und Rasen, auszubringen, nicht jedoch auf anderen Grundstücksteilen wie Terrassen, Wegen und befestigten Plätzen. Um hier sprießendes Grün zu bekämpfen, gibt es gleich ein ganzes Arsenal von Geräten, darunter Hochdruckreiniger, Stahlbesen, Fugenkratzern und Abflammgeräte. Auch die Kombination aus heißem Wasser und anschließendem Abfegen soll Unkräuter effektiv entfernen.

Solche Verfahren scheiden bei der Bekämpfung von Schadinsekten ebenso aus wie die Möglichkeit, die Tierchen einzeln von den Blättern zu pulen. "Derzeit schlüpfen die Läuse aus ihren Eiern. Für sie und andere Schädlinge ist das frische Blattgrün besonders schmackhaft", sagt Gregor Hilfert vom Pflanzenschutzamt Hamburg. "Wir empfehlen dennoch, auf synthetische Pflanzenschutzmittel zu verzichten."

Hier kommen natürliche Mittel ins Spiel, etwa Seifenlauge gegen Läuse. Hilfert warnt jedoch davor, sie aus Schmierseife selbst herzustellen, weil dann die Dosierung oftmals nicht stimmt: "Werden zu geringe Mengen eingesetzt, zeigen sie keine Wirkung. Zu viel Schmierseife kann die Pflanzen schädigen, etwa Verbrennungen auf den Blättern verursachen." Das zweite Hausmittel, die Brennnesseljauche, sei kaum wirksamer als klares Wasser, so Hilfert. Er rät, im Fachhandel nach natürlichen Mitteln zu fragen, Präparaten auf Basis von Kaliseife oder Rapsöl.

Wer dagegen auf synthetische Präparate setzt, sollte zumindest gut beraten werden. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt auch die Abendblatt-Recherche. So bot eine Verkäuferin zum Abtöten von Rosenschädlingen ein Kombipräparat an, bei dem in der Pappschachtel eine zweite Kunststoffflasche auftauchte - ein Pilzbekämpfungsmittel gegen Mehltau, von dem im Verkaufsgespräch keine Rede war. Den Verkauf von zwei Mitteln in einer Verpackung hält UBA-Expertin Christina Pickl zumindest für fragwürdig: "Die Tatsache, dass in diesem Fall das nicht verlangte Pilzmittel nun im häuslichen Regal steht, verlockt dazu, das Präparat irgendwann auch anzuwenden." Der korrekte Umgang mit den Giften wird bei deren Zulassung vorausgesetzt. "Keinesfalls sollte den Anwendern suggeriert werden, dass man es im Haus- und Kleingartenbereich mit der Gebrauchsanleitung nicht so genau nehmen müsse", schreibt das BVL. Am Studium der teils umfangreichen Beipackzettel führe also kein Weg vorbei. Sie gäben zum Teil auch Hinweise auf die unterschiedlichen Umweltrisiken, die mit den Mitteln verbunden sind, sagt UBA-Expertin Christina Pickl: "Wenn zum Beispiel ein Sicherheitsabstand von fünf oder zehn Metern zum nächsten Gewässer verlangt wird, ist dies ein Zeichen, dass das Präparat auf Wasserorganismen toxischer wirkt als andere Mittel ohne diese Auflage."

Besondere Vorsicht ist auch bei der Entsorgung von Pflanzenschutzmittelresten nötig. BVL-Pressesprecher Andreas Tief: "Angesetzte Spritzlösungen sollten möglichst aufgebraucht werden. Komplett entleerte Packungen kann man in die Wertstoffsammlung geben, ansonsten in den Restmüll. Reste von Pflanzenschutzmitteln gehören in die Schadstoffsammlung."

Für Hamburger heißt das, Pflanzenschutzmittelreste zu einem Recyclinghof zu bringen oder bei der Mobilen Problemstoffsammlung der Stadtreinigung abzugeben. Die Verantwortung des Hobbygärtners im Umgang mit den Giften hört also nicht bei deren Anwendung auf.