Der Erreger vernichtete weltweit bereits rund 200 Arten. Er lässt die Tiere austrocknen. Auch in Europa ist er schon weit verbreitet.

Washington/Berlin. Ein Pilz rafft seit Jahren weltweit Amphibien dahin. US-Forscher haben den Verlauf der Krankheit nun bei wild lebenden Fröschen beobachtet. Die Tiere trocknen aus, schreibt das Team um Jamie Voyles von der University of California in Berkeley im Journal "PLoS ONE". Ihre Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz sei gestört, die Kalium- und Natriumlevel seien viel zu niedrig. Folge: ein tödlicher Herzstillstand. Der Pilz Batrachochytrium dendrobatidis, kurz Bd, habe weltweit bereits mehr als 200 Amphibienarten aussterben lassen, weitere Bestände seien stark dezimiert. Auch in Deutschland ist der Bd-Pilz verbreitet, jedoch erkranken die infizierten Tiere nur selten.

Die US-Wissenschaftler hatten in den Bergen der südlichen Sierra Nevada Haut- und Blutproben von 121 Gelbbeinigen Gebirgsfröschen genommen. Der Bd-Pilz sei dort erstmals 2004 nachgewiesen worden. Die Infektion habe sich wellenartig ausgebreitet und rasch zum Massensterben geführt. Bis 2008 seien die Froschpopulationen um 75 Prozent geschrumpft. "Es ist traurig, um die Wasserbecken zu gehen und zu bemerken: Sie sind wirklich alle weg", bedauert Mitautor Vance Vredenburg von der San Francisco State University.

Die Haut von mit dem Bd-Pilz infizierten Fröschen werde bis zu 40-fach dicker, berichten die Forscher. Dies sei verheerend für die Tiere, die ihren Wasser- und Elektrolythaushalt über die Haut regeln. Bereits Ende 2009 hatten australische Forscher einen Herzstillstand als Todesursache bei einer Bd-Infektion ausgemacht. Der Pilz störe die Aufnahme elektrisch geladener Teilchen (Ionen), besonders von Natrium, mit der Flüssigkeit durch die Haut, schrieben sie im Journal "Science". Ionen haben eine zentrale Bedeutung bei der elektrischen Reizung von Nerven- und Muskelzellen, etwa im Herzen.

Während in Mittel- und Südamerika, aber auch in Australien die Pilzerkrankung Amphibienbestände dezimiert oder gar auslöscht, gibt es in Europa nur vereinzeltes Massensterben. "Sorgen macht uns vor allem die Geburtshelferkröte in der Schweiz", sagt der Berliner Tierarzt Dr. Frank Mutschmann. "Sie trägt ihre Eier am Leib aus. Und sie lebt terrestrisch. Das macht sie anfälliger für den Pilz als im Wasser lebende Amphibien."

Auch in Deutschland sei der Pilz weit verbreitet, weiß Mutschmann, der Amphibienproben aus dem ganzen Land auf den Pilz analysiert. "In der Schorfheide haben wir zum Beispiel stark infizierte Tiere gehabt, aber sie zeigten keine Krankheitssymptome. Pilzinfektionen treten generell als sogenannte Sekundärerkrankung auf, sie verursachen nur Symptome, wenn das betroffene Tier durch eine weitere Infektion, durch Nahrungsmangel, Schadstoffe oder andere ungünstige Umweltbedingungen bereits geschwächt ist."

+++Mini-Frosch ist das kleinste Wirbeltier der Welt+++

An der Ruhr seien in diesem Frühjahr Frösche massenhaft gestorben, so Mutschmann. Dort gab es nach einer wärmeren Phase einen Kälteeinbruch. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass zu 97 Prozent Temperatureinflüsse oder Fressfeinde, darunter Katzen und Krähen, Massenverluste auslösen."

Zur Ausbreitung des Bd-Pilzes trage auch der Handel mit exotischen Arten bei, betont das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Ohnehin seien die Bestände unter Druck: "Von den 85 europäischen Amphibienarten haben 60 Prozent zurückgehende Populationen." Derzeit sehe es so aus, als ob sich die Krankheit besonders in Regionen ausbreitet, die bei Wanderern populär sind. Die Forscher haben deshalb eine Umfrage initiiert und bitten Touristen und Bergwanderer im Internet um ihre Mithilfe unter www.bd-maps.eu/survey/?lang=de .

Der Bd-Pilz wächst auf der obersten Schicht der Haut und ist nur schwer zu erkennen. Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde die gefährliche Variante von Batrachochytrium dendrobatidis 1999. Doch auch zwei zuvor mysteriöse Fälle von Amphibiensterben in Mittelamerika in den 1970er- und 1980er-Jahren werden inzwischen auf den Pilz zurückgeführt. US-Forscher hatten in Formalin eingelegte Frösche, Kröten und Salamander aus Museen analysiert. Demnach ist der Pilz in den frühen 1970er-Jahren in Südmexiko aufgetaucht und breitete sich über Guatemala nach Costa Rica aus.

Die weltweite Dezimierung der Amphibien wirke sich fundamental auf die Ökosysteme aus, warnen die Forscher in San Francisco - mit bislang kaum abschätzbaren Folgen. Die weltweit mehr als 6000 Amphibienarten - Frösche, Kröten, Salamander - sind ohnehin vom Artensterben besonders betroffen, sie sind die meistbedrohte Wirbeltiergruppe. Rund 40 Prozent aller Lurcharten gelten nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) als bedroht. In Europa ist es ein Viertel der Arten. Die Tiere leiden vor allem an der Zerstörung von Feuchtgebieten.

Zumindest die deutschen und wohl auch die europäischen Frösche, Kröten und Molche seien allein durch den Pilz bislang nicht im Bestand bedroht, versichert Frank Mutschmann. Doch könne der Krankheitserreger auch hier instabilen Beständen den Todesstoß versetzen. Deshalb gelte es, die Amphibien generell vor schädlichen menschlichen Einflüssen zu schützen, etwa vor Pestiziden und Düngemitteln. Die Laichgewässer müssten gepflegt werden, sie dürfen nicht zuwuchern. Denn dann suchen die Amphibien sie nicht mehr auf, weil die Tiere sich dort nicht sonnen können.

Welch großen Einfluss sich wandelnde Lebensbedingungen auf den Ausbruch der Hautkrankheit haben, sieht Frank Mutschmann bei Amphibien, die als Heimtiere gehalten werden. "Nach jeder größeren Terrarienbörse werden uns Tiere geschickt, die der Pilz getötet hat. Auslöser waren die Transporte zur oder von der Börse, oder die ungewohnte neue Umgebung bei dem neuen Halter."