Klimafolgenforscher prognostizieren mehr Orkane und Hochwasserschäden bis zum Ende des Jahrhunderts

Berlin. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden extrem starke Stürme und Hochwasser mindestens doppelt so häufig auftreten wie in den vergangenen Jahrzehnten und sehr viel höhere Schäden verursachen. Das sagten gestern Versicherungsexperten und Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Pik). In dreijähriger Arbeit fertigten Wissenschaftler vom Pik, der Freien Universität Berlin und der Uni Köln eine Studie für die Versicherer an, die regionale Klimaszenarien mit Unwetter-Schadensdaten kombiniert.

"Ein besonders schadensträchtiges Sturmereignis mit einer Intensität, wie wir es heute statistisch alle 50 Jahre erleben, kann zukünftig alle zehn Jahre auftreten", sagte Thomas Vorholt, Leiter des Projekts Klimawandel beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). "Kyrill", der schlimmste Sturm der jüngsten Vergangenheit, fegte am 18. Januar 2007 mit 200 Kilometern pro Stunde über Deutschland, knickte Strommasten um, deckte Häuser ab, entwaldete Hänge. Europaweit starben mehr als 40 Menschen, in Deutschland elf. Der entstandene versicherte Schaden lag bei 2,4 Milliarden Euro. Bis 2100 könnten Extremstürme alle zehn Jahre Schäden von sieben bis acht Milliarden Euro anrichten, befürchtet der GDV.

Schon heute ist der Westen Deutschlands besonders stark betroffen. Auch die drei teuersten Stürme "Kyrill", "Lothar" (1999, 900 Millionen Euro Versicherungsschaden) und "Jeanette" (2002, 820 Millionen Euro) schlugen hier am stärksten zu. Unterm Strich erwarten die Versicherer doppelt so hohe Schäden durch Winterstürme. Dagegen wird der Osten Deutschlands zunehmend von Sommergewittern mit Starkregen und Hagel heimgesucht werden, wenn der globale Klimaschutz in den kommenden Jahrzehnten nicht entscheidend vorankommt. Bis 2040 könnten die Schäden um 25 Prozent zunehmen, bis 2070 sogar um 60 Prozent.

Noch deutlichere Zuwächse erwarten die Experten bei den Schäden durch Hochwasser. Um ihre Entwicklung abzuschätzen, untersuchten sie insgesamt 5473 Flussabschnitte von Elbe, Weser, Ems, Rhein und Donau. "Hochwasserschäden, wie wir sie heute im Durchschnitt alle 50 Jahre erwarten, können zukünftig alle 25 Jahre eintreten", so Vorholt. Er rechnet mit doppelt so hohen Schäden bis zum Ende des Jahrhunderts; ein Szenario deute sogar auf eine Verdreifachung hin.

Die Brisanz der Szenarien zeigt sich an den Prognosen der zu erwartenden Abflussmengen für die Elbe: Die Höchststände liegen beim optimistischen Szenario zum Ende des Jahrhunderts bei 5000 Kubikmeter (m³) Wasser pro Sekunde (s), schlimmstenfalls erreichen sie sogar 6000 bis 7000 m³/s. Beim Hochwasser 2002, für das die Versicherungen in Deutschland 1,8 Milliarden Euro zahlten, passierten maximal 4580 m³/s den Pegel Dresden. 480 Kilometer flussabwärts, am Pegel Neu Darchau (Kreis Lüchow-Dannenberg) lag der Höchstwert bedingt durch zahlreiche Deichbrüche übrigens deutlich niedriger (3430 m³/s).

Die Versicherer fordern Städte und Gemeinden auf, kein Bauland in Risikogebieten auszuweisen und ihre Sielsysteme für Starkregen-Ereignisse auszulegen. Architekten sollten Dachkonstruktionen noch sturmsicherer planen und die Gebäude gegen starke Niederschläge wappnen. Zu den Maßnahmen, die Hausbesitzer ergreifen können, gehört der Einbau von Rückstauventilen und -klappen sowie Dachverstärkungen. "Die gute Nachricht ist, dass der Klimawandel in Deutschland versicherbar bleibt", sagte GDV-Präsident Rolf-Peter Hoenen. In anderen Regionen der Erde sehe das anders aus.