Forscher diskutieren über Intersexualität. Betroffene demonstrieren

Lübeck. Junge oder Mädchen - das wissen die allermeisten Eltern spätestens nach der Geburt ihres Kindes. Bei einem von etwa 5000 Neugeborenen pro Jahr in Deutschland stehen die Eltern allerdings vor der Situation, dass sie nicht wissen, welches Geschlecht ihr Kind hat; es ist ein Zwitter. Für die Eltern ist diese Situation sehr belastend. Sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen, und spüren einen schweren Druck, etwas machen zu müssen. Eine internationale Tagung beschäftigt sich an diesem Wochenende an der medizinischen Hochschule Lübeck mit neuen Forschungsergebnissen zur Intersexualität und Möglichkeiten, die Belastungen für alle Beteiligten zu verringern.

"Wir arbeiten daran, bessere Diagnosemethoden zu entwickeln", sagt Prof. Olaf Hiort, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. "Heute hat noch jedes zweite Kind, das mit einer geschlechtlichen Auffälligkeit vorgestellt wird, auch nach sechs Monaten noch keine Diagnose." Es gibt je nach Diagnose sehr unterschiedliche Therapiemöglichkeiten, die von leichten operativen Regulationen über zeitlich begrenzte Hormongaben bis zu schwerwiegenden operativen Geschlechtszuordnungen mit lebenslanger Hormongabe reichen.

An diesen schweren Operationen entzünden sich die Proteste der Betroffenen - wie jetzt vor Ort in Lübeck. Daniela Truffer, eine 39-jährige Frau, wurde mit männlichen Chromosomen und im Bauchraum versteckten Hoden geboren. "Meine Eltern wussten nicht, was sie machen sollten. So wurde beschlossen, aus mir ein Mädchen zu machen", sagt sie. "Mit zweieinhalb Monaten wurden meine Hoden entfernt, und ich wurde als Mädchen aufgezogen."

Im Alter von sieben Jahren wurde ihr Genital operiert, und mit zwölf Jahren bekam sie Östrogene. "Die Operation war sehr traumatisierend, und als besonders schlimm habe ich immer die Heimlichtuerei empfunden", sagt sie. Die Operation ging zudem mit dem Verlust der sexuellen Empfindsamkeit einher. Jetzt kämpft Daniela Truffer in der Organisation "Zwischengeschlecht" gegen die unwiderrufliche Operation von kleinen Kindern: "Man sollte die Kinder aufklären, sie unversehrt aufwachsen und später entscheiden lassen, ob sie Mann oder Frau sein wollen."

Auch Hiort fragt sich, was wann gemacht werden muss. "Wir müssen Datenbanken erstellen, um zu sehen, was aus den Patienten über die Jahre wird." Er plädiert dafür, nicht jede Maßnahme sofort zu ergreifen, sondern den Eltern und Kindern Zeit zu lassen. "Im Vordergrund steht die Integrität des Kindes in der Familie."