Neue Methode am Albertinen-Krankenhaus kann Nebenwirkungen verringern

Hamburg. Rund fünf Monate ist es her, dass Andrea S. im Albertinen-Krankenhaus Sohn Lukas auf die Welt brachte. Jetzt musste sich die 38-Jährige dort operieren lassen. Denn bei einer Kontrolluntersuchung nach dem Wochenbett stellten die Ärzte fest, dass sich aus Zellveränderungen an ihrem Muttermund, die schon während der Schwangerschaft entdeckt wurden, ein Gebärmutterhalskrebs entwickelt hatte. An diesem Tumor erkranken in Deutschland jedes Jahr 7000 Frauen neu, 2000 Frauen sterben pro Jahr an diesem Krebs. Im Albertinen-Krankenhaus wenden die Ärzte jetzt eine neue Methode an, um den betroffenen Frauen möglichst die radikale Entfernung der Lymphknoten zu ersparen.

Andrea S. war die erste Patientin, bei der sie das neue Verfahren einsetzten. Der Krebs wurde bei ihr noch in seinem sehr frühen Stadium entdeckt. "Er war noch sehr klein und noch nicht tief in das Gewebe eingedrungen", sagt Dr. Ingo von Leffern, Chefarzt der Gynäkologie im Albertinen-Krankenhaus. Deswegen wurde zunächst versucht, mit einer sogenannten Konisation die Krebszellen zu entfernen. Dabei wird ein kegelförmiges Gewebestück aus dem Gebärmutterhals entfernt. Bei der feingeweblichen Untersuchung stellte sich dann aber heraus, dass dieser Eingriff nicht ausreichte. Deswegen entfernten die Ärzte Andrea S. sechs Wochen später die gesamte Gebärmutter per Bauchspiegelung. "Bei dem Krebsstadium, das wir bei Andrea S. gefunden haben, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass zusätzlich Lymphknoten befallen sind, nur bei acht Prozent", sagt von Leffern.

Deswegen setzte er bei ihr erstmals die Untersuchung des sogenannten Wächterlymphknotens ein. Bei dieser Methode, die bei Brustkrebs schon lange angewandt wird, wird der Lymphknoten markiert, der zuerst von den Tumorzellen befallen würde. Finden sich darin bei der feingeweblichen Untersuchung keine Krebszellen, so ist davon auszugehen, dass auch keine weiteren Lymphknoten befallen sind.

Auf eine radikale Entfernung von Lymphknoten kann dann verzichtet werden. Denn diese kann erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Sechs Prozent der Frauen bekommen danach Lymphödeme in den Beinen: Die Lymphflüssigkeit kann nicht mehr richtig abfließen und staut sich in den Beinen, die dadurch anschwellen. Um das zu verhindern, müssen die Frauen Stützstrümpfe tragen. Ebenfalls bei sechs Prozent kann es zu Lymphzysten im Bauchraum kommen, die sehr schmerzhaft sein können und eventuell eine weitere Operation erfordern.

Für die Markierung der Wächterlymphknoten werden zwei Methoden kombiniert. Am Tag vor der OP wird der Patientin das radioaktive Technetium 99 in den Gebärmuterhals gespritzt. Dieses lässt sich mit einer bestimmten Untersuchung (Szintigrafie) nachweisen, die zur genaueren Lokalisation des Lymphknotens mit einem Computertomogramm kombiniert wird. Zudem wird kurz vor der Operation ein blauer Farbstoff in den Gebärmutterhals gespritzt. "Dann können wir während der Operation, die bei uns besonders schonend mit einer Bauchspiegelung durchgeführt wird, mithilfe einer Gammasonde und der blauen Färbung den Lymphknoten aufspüren. Das hat den Vorteil, dass wir nur einen kleinen Schnitt in das Bauchfell vornehmen müssen, um diesen Lymphknoten zu entfernen", erklärt der Gynäkologe. "Beim Gebärmutterhalskrebs müssen wir auf beiden Seiten der Gebärmutter diesen Wächterlymphknoten aufspüren und untersuchen", sagt von Leffern. Gelingt dies auf einer Seite nicht, müssen dort nach wie vor alle Lymphknoten im kleinen Becken entfernt werden.

Doch wie zuverlässig ist das Verfahren? "Das Risiko, dass ein Befall von Lymphknoten dabei übersehen wird, liegt bei zwei bis fünf Prozent", sagt von Leffern. Aber dagegen stehe der Vorteil, ein Lymphödem verhindern zu können. Und auch bei der radikalen Lymphknotenentfernung gebe es ein geringes Restrisiko, dass Krebszellen unentdeckt bleiben.

Infrage kommt die Wächterlymphknoten-Methode für Frauen, deren Tumore sich noch in frühen Stadien befinden und die kleiner sind als zwei Zentimeter - so wie bei Andrea S. Sie musste nach dem Eingriff, der 3,5 Stunden dauerte, noch vier Tage in der Klinik bleiben. "Ich hatte keine Beschwerden, fühlte mich nur abends erschöpft." Drei Wochen später fühlt sie sich wieder völlig fit und erzählt stolz, wie prächtig sich ihr kleiner Sohn entwickelt.