Die Insekten leiden unter Kälte, Parasiten und den Folgen der intensiven Landwirtschaft

Jedes Schulkind kennt die Geschichte von der Biene und der Blüte. Doch derzeit steht es schlecht um die pflanzliche Befruchtung. Viele Bienen haben den Winter nicht überlebt, und diejenigen, die die dezimierten Völker neu aufbauen sollen, wurden von der kalten Witterung ausgebremst. Das spürten auch die Obstbauern im Alten Land. Seit gestern atmen sie auf: Schon zwei, drei trockene Tage mit Temperaturen über 15 Grad genügen, damit die Bienen die Obstbäume ausreichend bestäuben. Zur eigenen Erholung bräuchten die Insekten jedoch mehr als eine kurze Schönwetterperiode.

Zwischen 20 und 25 Prozent der Honigbienen haben in Deutschland den Winter nicht überlebt, schätzt Dr. Werner von der Ohe, Leiter des Instituts für Bienenkunde in Celle. Er hält die hohe Verlustrate für sehr bedenklich: "Wenn sie über zehn Prozent liegt, müssen die Alarmglocken schlagen."

Die kalten Maiwochen ließen die Völker kaum wachsen

Von der Ohe sieht zwei Hauptursachen für den Schwund; sie schufen bereits im Herbst eine schlechte Ausgangsposition für 2010: "Wir hatten eine hohe Belastung durch die Varroamilbe und eine ungünstige Ernährungssituation." Daran sei ausgerechnet das warme Frühjahr 2009 schuld: Pflanzen, die in normalen Jahren nacheinander blühen, legten 2009 gemeinsam los. Die Folge war ein üppiges Nahrungsangebot für die Bienen, die sich entsprechend gut vermehrten - und mit ihnen der wichtigste Parasit, die Varroamilbe. Im Spätsommer hatten viele Blütenpflanzen ihr Pulver verschossen, es fehlte vor allem die Proteinzufuhr durch Pollen. Dadurch sank die Zahl der Nachkommen, auf die sich die Milben verteilen konnten.

Nun sorgte der kalte Mai dafür, dass die überlebenden Völker den Aderlass nur schwer ausgleichen können. Von der Ohe: "An warmen, sonnigen Tagen mit reichlichem Nahrungsangebot produziert die Königin um die 2000 Eier pro Tag. Aus ihnen schlüpfen nach 21 Tagen die Arbeiterinnen. Bei kühler Witterung sind es vielleicht 500 Eier, von denen die Ammenbienen bei Nahrungsmangel einen Teil auffressen." Nach einer längeren Schönwetterperiode kann sich das Volk erholen, doch bei Regen und Kälte begeben sich die Bienen gar nicht erst auf Futtersuche. Erschöpfen sich die Nahrungsvorräte im Stock, müssen die Tiere hungern. Deshalb forderten die Celler Bienenexperten die Imker bereits auf, zuzufüttern, möglichst "hauseigenen" Honig.

Nicht nur die Imker hoffen auf die jetzt einsetzende Schönwetterperiode. Auch im Alten Land freut man sich über den blauen Himmel, denn derzeit stehen die Apfel- und Birnenbäume in voller Pracht. Nachdem die erste Maihälfte kälter war als der April, warteten die Obstbauern bislang vergeblich auf die geflügelten (Mit-)Arbeiterinnen. Dr. Karsten Klopp, Leiter der Obstbauversuchsanstalt in Jork, bleibt aber optimistisch: "Derzeit haben wir 3500 Bienenvölker im Alten Land. Wenn wir jetzt ein paar Sonnentage bekommen, so reicht dies für die Bestäubung aus." Zudem seien die Bienen auch schon in den vergangenen Tagen stundenweise geflogen und hätten Blüten befruchtet. Dies sei unter anderem daran zu erkennen, dass sich diese Blüten entblättern, wenn ihre Funktion erfüllt ist.

Monotone Äcker und Pestizide setzen den Insekten zu

Ein paar sonnige Tage reichen jedoch nicht aus, um die Welt der Honigbienen ins Lot zu bringen. Denn die witterungsabhängigen Insekten leiden unter immer schlechteren Lebensbedingungen. Die Intensivlandwirtschaft produziert monotone Blütenteppiche - ein einseitiges Nahrungsangebot. "Bienenvölker könnten mit reinem Rapshonig schwer überwintern, mit reinem Heidehonig überhaupt nicht", sagt Werner von der Ohe.

Auch der Deutsche Imkerbund fordert mehr Vielfalt auf dem Acker. Die Politik solle die Aussaat blütenreicher Saaten zur Nutzung als Biomasse fördern, ebenso die Umwandlung von Äckern in Wiesen. Seit Jahren kritisieren die Imker zudem den Einsatz von Pestiziden, die den Bienen offenbar gefährlich werden. Im Frühjahr 2008 mussten die Kollegen in Baden und Bayern ein dramatisches Bienensterben hinnehmen. Als Auslöser wurde ein Beizmittel für Maissaat ausgemacht, das den Wirkstoff Clothianidin enthält. Das Insektengift raffte die Honigbienen dahin, obwohl die Fluginsekten wenig Bodenkontakt haben. Die Tiere nahmen das Gift beim Wasserholen auf, schleppten es ins Brutnest. Der fatale Wirkstoff wird bei Regen ausgeschwemmt und findet sich auch im Pflanzensaft wieder. Auf diese Weise geraten die Bienen mit dem Gift in Berührung.

Clothianidin wird seit 2004 in Deutschland eingesetzt. Nach dem Bienensterben ruhten eine Reihe von Zulassungen für Beizmittel mit dem Wirkstoff. Doch erst kürzlich erteilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Sondergenehmigung für den Einsatz zur Bekämpfung des Drahtwurms im Mais.

Die Bienen werden also weiterhin mit der Chemikalie zu kämpfen haben. Und es besteht der Verdacht, dass schon geringste Mengen den Organismus schädigen. Die emsige Suche nach Pollen und Nektar wäre dann erschwert. Auch an warmen, sonnigen Tagen.