HAW-Professor Werner Granzeier stellt neuartige Raumkapsel vor

Wenn die Menschheit in den Himmel kommt, dann bitte möglichst bequem. Das ist Werner Granzeiers Vision. Deshalb entwickelt der Professor von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften komfortable Inneneinrichtungen - für Weltraumkapseln. Gestern hat der 64-Jährige erstmals in Deutschland ein Konzeptmodell vorgestellt. Auf acht Quadratmetern verteilen sich drei Liegesitze, zwei für die Astronauten, einer für den Weltraumtouristen von morgen, außerdem Steuerpulte, Monitore und Staufächer. Durch ein Fenster fällt der Blick ins All. Das klingt eher unspektakulär (von der fantastischen Aussicht abgesehen), tatsächlich steckt aber hinter jedem Detail jahrelange Forschung.

Denn Reisen ins Weltall bergen viele Herausforderungen. Beim Start wirken Kräfte auf Körper wie bei der Beschleunigung eines Formel-1-Wagens. Deshalb verfügen die Liegesitze über spezielle Dämpfer und passen sich dem Passagier optimal an. In der Schwerelosigkeit sind exakt koordinierte Bewegungen schwierig, deshalb sind überall Griffe montiert. Warmes Licht sorgt dafür, dass keine Beklemmung aufkommt. Und es soll eine Toilette geben, denn der Flug zur Internationalen Raumstation ISS dauert etwa 72 Stunden. Die Besatzungen der russischen Sojuskapseln mussten sich bisher mit Pampers behelfen - übrigens auch jene ersten Weltraumtouristen, die rund 16 Millionen Euro für einen Flug zahlten.

Das Automated Transfer Vehicle (ATV)

Dass Werner Granzeiers Konzept vom komfortablen Reisen bald Wirklichkeit werden könnte, hat mit den neuen Weltraum-Ambitionen der Europäer zu tun. Während die Amerikaner noch in diesem Jahr ihr Shuttle-Programm und damit den Frachtverkehr zur ISS einstellen werden, schickt die Europäische Weltraumorganisation (Esa) mittlerweile ein eigenes Modell ins All, das von der Bremer Firma EADS Astrium entwickelte Automated Transfer Vehicle (ATV). Die "Jules Verne" genannte unbemannte Raumkapsel brachte im April 2008 erstmals Lebensmittel und Ausrüstung zur ISS. Weitere Flüge sind geplant, allerdings verglüht die mit Müll beladene Kapsel auf der Rückreise.

Nun soll sie zu einem Advanced Re-entry Vehicle (ARV) weiterentwickelt werden, das in etwa zehn Jahren auch Menschen sicher ins All und zurück transportieren könnte. Dazu braucht die neue Kapsel nicht nur einen Hitzeschutzschild für den sicheren Eintritt in die Erdatmosphäre und einen Bremsfallschirm, damit sie sanft zum Erdboden gleitet, sondern auch einen räumlichen Rahmen.

Das Advanced Re-entry Vehicle (ARV)

Darum kümmert sich nun Professor Werner Granzeier zusammen mit seinen Studenten vom Department für Flugzeugbau an der HAW. Geht es nach ihm, wird der Komfort in den Raumkapseln der nächsten Generation sogar der ersten Klasse in Langstreckenflugzeugen entsprechen. Alles sei denkbar, vom Multimediasystem mit Hörbüchern und Kinofilmen bis zu Massagekugeln in der Rückenlehne. Wenn dann noch die exorbitanten Reisepreise sinken, wird Granzeier selbst abheben - höchst komfortabel natürlich.