Forscher suchen Strategien, um durch Windparks bedrohte Vögel und Wale zu schützen

Ziehende Singvögel und Schweinswale werden vermutlich am stärksten unter dem geplanten Ausbau der deutschen Meereswindparks leiden. Davon ist Christian Dahlke vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) überzeugt. Der Jurist genehmigt den Bau von Windkraftanlagen in der deutschen Nord- und Ostsee. Dabei folgt er dem Credo seines Amts: Der Ausbau der Windindustrie muss naturverträglich sein. Um dies zu gewährleisten, fördert das Bundesumweltministerium (BMU) eine umfangreiche ökologische Begleitforschung, vor allem am ersten deutschen Offshore-Park Alpha Ventus, 50 Kilometer nördlich von Borkum. Sie soll die Auswirkungen des Baus und Betriebs von Windparks auf die Meeresbewohner dokumentieren.

Seit 2001 finanzierte das BMU um die 50 Projekte mit knapp 27 Millionen Euro. Gestern lud das BSH die beteiligten Forscher nach Hamburg ein, um die bisherigen Erkenntnisse zusammenzutragen. Die Probleme beginnen bereits beim Bau. Die Rammarbeiten verursachen großen Lärm, der sich im Wasser besonders gut ausbreitet. Darunter könnten vor allem die Schweinswale leiden, die zur Orientierung und Nahrungsaufnahme auf ihr gutes Gehör angewiesen sind. "Bei den bislang durchgeführten Rammarbeiten, vor allem für Alpha Ventus, wurde der Richtwert für die Schallemission von 160 Dezibel (dB) in 750 Meter Entfernung regelmäßig überschritten", so Dahlke. "Solange wir nur eine Baustelle haben, können die Wale flüchten. Doch wenn in den kommenden 20 Jahren tatsächlich die anvisierten 5000 Rotoren errichtet werden, haben wir Arbeiten an vielen Orten und brauchen technische Lösungen, die die Lärmemission reduzieren."

Ein Ansatz sind Blasenschleier: Am Meeresgrund um die Baustelle gelegt werden Druckluftschläuche, aus denen Luftblasen sprudeln. Diese reduzieren den Lärm um etwa 14 dB, aber nur in einer Richtung. Denn die Meeresströmung verdriftet den Blasenvorhang. Besser wäre es, wenn der Lärm gar nicht erst entstünde. Dahlke: "Das Rütteln der Pfähle ist viel leiser. Aber mit dieser Technik lassen sich die Konstruktionen nur sechs bis sieben Meter tief in den Meeresboden einbringen, mehr als 40 Meter müssen anschließend gerammt werden."

Der BSH-Justiziar drückt derzeit noch ein Auge zu, denn die Investoren seien aufgrund der komplizierten Bautechnik froh, wenn die Anlagen überhaupt stünden - da störten noch strengere Umweltregeln. Aber mittelfristig will er bessere Technik durchsetzen. Dahlke: "Um die Wale nicht zu stören, lassen die Niederlande im ersten Halbjahr generell keine Rammarbeiten zu. Das BSH setzt dagegen auf Technologie, nicht auf die Bauzeitbeschränkung."

Wird die Stromproduktion durch Wind aufgenommen, haben Zugvögel Probleme mit den Konstruktionen von der Höhe des Kölner Doms. Rotoren mit einem Durchmesser von gut 120 Metern rotieren um die 90 Meter hohe Nabe - und bilden vor allem nachts gefährliche Hindernisse für Zugvögel. "An der Forschungsplattform 'Fino 1' in unmittelbarer Nähe des Windparks wurden innerhalb von drei Jahren 770 Kollisionsopfer gezählt, hauptsächlich Drosseln", sagt Dr. Ommo Hüppop, Leiter der Vogelwarte Helgoland. "Und das bei einer 80 Meter hohen Konstruktion, die sich nicht bewegt. Außerdem fallen viele tote Vögel ins Wasser und nicht auf die Plattform. Die Todesrate dürfte also deutlich höher liegen."

Gänse, Kormorane und andere große Seevögel umfliegen die Offshore-Konstruktionen. Sie sind tagsüber unterwegs. Viele Singvögel aber reisen nachts. "Es sind Landvögel, die vor allem bei schlechtem Wetter auf der Suche nach Rastplätzen von den beleuchteten Strukturen angezogen werden. Das Licht hält sie davon ab, weiterzufliegen, bis sie Land erreichen. Das wäre aber genau die richtige Entscheidung." Werden tatsächlich alle anvisierten 5000 Rotoren errichtet, dann würde die Nordsee zum Rotlichtviertel. Dahlke: "Jede Anlage trägt zwei rote Warnlichter. Das macht 10 000 blinkende Lichter, die in der Wahrnehmung zum Dauerlicht werden." Er plädiert dafür, das Licht nur einzuschalten, wenn es gebraucht wird, also wenn ein Flugzeug sich annähert.

Ob die Windmühlen den Rastvögeln Lebensraum nehmen, ist bislang noch nicht abzuschätzen. "Bei anderen Windparks zeigte sich, dass die Reaktionen mit den Arten variieren", sagt Dr. Nicole Sonntag vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste. "Seetaucher, Alke und Trottellummen meiden die Gebiete, während Möwen eher angezogen werden." Wahrscheinlich liege dies am erhöhten Nahrungsangebot: an Fischen und anderem Meeresgetier.

Gerade Fische könnten von den Windparks profitieren, erwarten die Experten. Die Unterwasserkonstruktionen bieten als künstliche Riffe neue Lebensräume für Bodenorganismen, die ihrerseits als Fischfutter dienen - an der Forschungsplattform "Fino 1" haben sich bereits Miesmuscheln, Seeanemonen und sogar die ersten Austern angesiedelt. Zudem wird im Windparkterrain nicht gefischt.

Aber auch hier liegt die Tücke im (noch nicht ausreichend erforschten) Detail, denn die Fischarten sind unterschiedlich empfindlich. "Heringe haben ein gutes Hörvermögen, sie sind besonders anfällig für Störgeräusche", sagt Dr. Sören Krägefsky vom Alfred-Wegener-Institut. "Dagegen können Makrelen vor allem die geänderten Strömungsverhältnisse der Unterwasserstrukturen spüren, denn sie besitzen keine Schwimmblase und müssen ständig schwimmen, um für Auftrieb zu sorgen." Die ökologische Begleitforschung steht erst am Anfang.