Vor 80 000 Jahren an irgendeinem Tag im Nahen Osten wird man sich zunächst staunend gegenübergestanden haben: Der bullige Neandertaler und der zierlichere, aber beweglichere Homo sapiens sapiens. Ob sie auch gegeneinander gekämpft haben, die beiden so unterschiedlichen Söhne des Homo heidelbergensis, wissen wir nicht. Aber wir wissen jetzt, dass sie sich gepaart haben. Zeit genug dazu hatten sie: Beide lebten Zehntausende Jahre in denselben Regionen. Als Resultat dieser Begegnung haben wir ein bis vier Prozent Neandertal-Gene in uns.

Das erste Skelett des vor 30 000 Jahren ausgestorbenen Neandertalers, dessen Gene sich noch in uns finden, wurde 1856 von Steinbrucharbeitern im Neandertal am Fluss Düssel zwischen den heutigen Städten Erkrath und Mettmann im Abraumschutt gefunden. Der Lehrer Johann Carl Fuhlrott aus dem benachbarten Eberfeld identifizierte es richtig als eiszeitlichen Urmenschen - eine beachtliche Diagnose. Doch der weltberühmte Berliner Zellularpathologe Rudolf Virchow und andere Kapazitäten der Zeit verlachten die These; Virchow untersuchte die Knochen heimlich während einer Reise von Fuhlrott und hielt sie für das rachitische Skelett eines napoleonischen Kavalleristen. Sein Fehlurteil drückte zunächst weitere Forschungen nieder. Das Skelett verschwand als Kuriosität im Museum.

1864 hatte es jedoch der englisch-irische Geologe William King gewagt, die Knochen als zu einer eigenen Art gehörig zu bezeichnen. King gab dieser unbescheiden den Namen "Homo Neanderthalensis King". Das King fiel später weg, das Wort Neandertal für den Fundort blieb erhalten. Auf diese Weise wurde der Name des evangelischen Kirchenliederdichters Joachim Neander, Schöpfer des Werkes "Lobe den Herren", nach dem das heute durch Kalkabbau vernichtete, einst malerische Tal mit seinen Höhlen benannt war, unsterblich.