Drei Tage lang ist Berlin Hauptstadt der „Netzbewohner“. US-Historiker Moglen warnt vor Geschäftsmodellen der großen Internet-Firmen.

Berlin. Die Konferenz re:publica lotet seit dem heutigen Mittwoch die aktuellen Spannungslinien der digitalen Lebensweisen aus. Mit einem eindringlichen Aufruf für freie Software und freie Netze hat der US-Wissenschaftler Eben Moglen in Berlin die dreitägige Bloggerkonferenz re:publica eröffnet. Der Professor für Recht und Geschichte an der Columbia University sagte, dass in weniger als zwei Generationen jeder Mensch mit seinem gesamten Denken und Leben im Internet eingebunden sein werde. „In dieser Generation entscheiden wir, wie dieses Netzwerk organisiert wird.“

Der Wissenschaftler kritisierte scharf die möglichst viele Nutzerdaten sammelnden Internet-Unternehmen wie Google und Facebook. „Da gibt es eine Suchbox und wir geben unsere Träume ein. Sie verdauen sie dann und sagen uns, wer wir sind.“

+++ Blogger-Konferenz re:publica in Berlin eröffnet +++

Nachdem Moglen früher vor allem Microsoft kritisiert hatte, richtete er jetzt scharfe Kritik gegen Apple. „Das Design von Mister Jobs ist dazu gedacht, Euch zu kontrollieren.“ Den Regierungen in aller Welt warf er vor, Instrumente zu entwickeln, um mit der Analyse digitaler Nutzerdaten die soziale Kontrolle über die Bevölkerung zu perfektionieren.Als Ausweg nannte Moglen die Entwicklung von freien Medien im Internet. Dafür sei die Nutzung freier Software und freier Technologien ebenso erforderlich wie die Entwicklung freier Telekommunikationsnetze in öffentlicher Trägerschaft. Moglen versucht seit über einem Jahr mit bislang mäßigem Erfolg, über eine Stiftung die Verbreitung eines Kommunikationsservers „Freedombox“ voranzutreiben, der auf freier Software aufsetzt.

Die re:publica versteht sich als „Spiegel der digitalen Gesellschaft genauso wie als Plattform der aktiven Netzgemeinde“. In diesem Jahr nehmen rund 4000 Blogger und sonstige „Netzbewohner“ teil. Das Programm gestalten 350 Redner aus 30 Ländern, darunter EU-Kommissarin Neelie Kroes, der Internet-Unternehmer Lars Hinrich, Chaos-Computer-Club-Sprecherin Constanze Kurz, Piraten-Politikerin Marina Weisband und der twitternde Regierungssprecher Steffen Seibert. Veranstalter der re:publica sind die Agentur newthinking communications und der Spreeblick-Verlag.

Die Konferenz steht in diesem Jahr unter dem Motto „Action“. „Ich hoffe, dass ihr alle nett zueinander seid, aber dass ihr euch auch einmischt“, sagte als Mitveranstalter der Blogger Johnny Häusler (spreeblick.com). Das Programm erstreckt sich von der Protestbewegung Anonymous bis zu Geschäftsmodellen der digitalen Wirtschaft. Ein Schwerpunkt ist die Debatte über das Urheberrecht im Internet.

Dazu sagte der Geschäftsführer der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH, Elmar Giglinger, in einem freien Internet müsse auch jeder Kreative entscheiden können, „wann, wo, wie, auf welcher Plattform, ob kostenfrei oder kostenpflichtig Content veröffentlicht wird“. Eine Kultur-Flatrate – also eine Abgabe aller Internet-Nutzer zur Finanzierung von kreativen Leistungen im Netz – könne keine Lösung sein. Mit der Rundfunkgebühr gebe es schon eine umstrittene Zwangsabgabe. Eine zweite wolle niemand haben.

In einer Ansprache zur Begrüßung sagte der Staatssekretär der Berliner Landesregierung für Wirtschaft und Technologie, Christoph von Knobelsdorff, Berlin werde zum „europäischen Silicon Valley“ - womit er im Publikum den ironischen Zwischenruf „Bingo“ provozierte. „Berlin hat seit einigen Jahren die höchste Startup-Quote in Deutschland“, führte der Staatssekretär aus. In Berlin gebe es ein Umfeld, das es Firmengründern ermögliche, ihre Initiativen vergleichsweise risikoarm umzusetzen.

Mit Material von dpa