Berlin. Bereits jetzt umgibt uns Künstliche Intelligenz im Alltag. Einen Bundesverband KI gibt es nun auch. Ein Interview mit dem Vorstand.

Am 16. März 2018 schlossen sich in München 24 Unternehmen zum Bundesverband für Künstliche Intelligenz zusammen. Künftig soll der Deutsche KI-Verband als Sprachrohr der Branche fungieren, gleichzeitig aber auch Aufklärungsarbeit zum Thema Künstliche Intelligenz betreiben, um dem falschen Hype rund um KI entgegenzuwirken.

Gemeinsam mit dem politischen Beirat des Verbandes, dem Vertreter der CDU, SPD, FDP, der Grünen, der Linken und dem Jungen Wirtschaftsrat angehören, sollen konkrete politische Handlungsschritte erarbeitet werden, um den Einsatz von KI transparent und nutzenbringend zu gestalten.

Jörg Bienert ist Vorstandsmitglied und Präsident des Bundesverbands. Er selbst betrachtet die gegenwärtige Wahrnehmung der Technologie in der Gesellschaft als bedenklich.

Herr Bienert, warum ist ein Bundesverband für Künstliche Intelligenz notwendig?

Jörg Bienert: Im Bereich der Künstlichen Intelligenz wurden durch Deep-Learning-Technologien in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Anwendungen auf Basis von KI sind dabei, alle Bereiche des Geschäfts- und Privatlebens zu durchdringen und zu verändern – von Sprachassistenten über autonomes Fahren bis hin zu Robotik in der industriellen Produktion.

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In Deutschland hat sich eine lebhafte Szene von Start-ups und kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) entwickelt, die auf Basis von KI Technologien innovative Produkte und Services entwickeln.

Bienert: Das Ziel des KI-Verbandes ist, die Interessen dieser Unternehmen zu vertreten und sich aktiv mit in die Diskussion um die Auswirkungen auf die Gesellschaft einzubringen.

Dabei geht es unter anderem auch um die Schaffung von Rahmenbedingungen für KI-Unternehmen und die Zusammenarbeit mit Forschung und Industrie. Ein Ziel ist es, in Deutschland und Europa Strukturen aufzubauen, die im Wettbewerb mit den Anbietern aus USA und demnächst verstärkt auch China bestehen können.

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    Nach welchen Kriterien nehmen sie Mitglieder auf?

    Bienert: Mitglied werden können Unternehmen, die sich überwiegend mit KI beschäftigen, beziehungsweise deren Geschäftsmodell auf dem Einsatz von KI aufgebaut ist. Auch Einzelpersonen, die sich intensiv mit KI auseinandersetzen, können Mitglied werden.

    Für uns ist wichtig, dass wir dadurch einen klaren Fokus bewahren und die Ausrichtung nicht durch andere Interessen verwässert wird.

    Besteht bereits ein Austausch mit der Politik und wenn ja, auf welchen Ebenen?

    Bienert: Wir freuen uns sehr darüber, dass wir einen starken politischen Beirat gewinnen konnten, der unter dem Vorsitz von Marcus Ewald aus folgenden Mitgliedern besteht: Thomas Jarzombek (CDU), Jens Zimmermann (SPD), Manuel Höferlin (FDP), Dieter Janecek (Grüne) und Petra Sitte (Linke).

    Bis zum Sommer werden wir ein gemeinsames Positionspapier verfassen und dann in den aktiven Dialog mit der Politik auf allen Ebenen gehen.

    Schwerpunkte hierbei sind die Schaffung von geeigneten Förderprogrammen, die auch die Bedürfnisse der Startups und KMUs berücksichtigen, die Vernetzung mit der Wirtschaft in Deutschland und Europa sowie die ausgewogene Etablierung von Rahmenbedingungen hinsichtlich Datenschutz und weiterer ethischer Aspekt.

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    Wie werden ethische Fragen eingebracht und diskutiert?

    Bienert: Die Diskussion von ethischen Fragestellungen ist uns neben der Vertretung der gemeinsamen Interessen der Verbandsmitglieder sehr wichtig. Alle Mitglieder sind sich der potenziellen Auswirkungen von KI bewusst und wir wollen uns aktiv in die gesellschaftliche Diskussion einbringen.

    Hierbei gibt es unterschiedliche Aspekte, wie den Schutz persönlicher Daten, die Diskriminierung durch gelernte Algorithmen und die Auswirkungen von maschinell getroffenen Entscheidungen, zum Beispiel die populären Fragestellungen beim autonomen Fahren.

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    Gibt es Expertengruppen und einen Austausch über die Landesgrenzen hinaus?

    Bienert: Es ist wichtig, dass wir in Europa eng zusammenarbeiten, auch um im internationalen Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können. Daher werden wir bald Kontakt mit den entsprechenden Organisationen in den einzelnen Ländern aufnehmen.

    Wie viel Verständnis hat die Bevölkerung Ihrer Ansicht nach von künstlicher Intelligenz?

    Bienert: Das Interesse der Bevölkerung ist groß. Leider werden in der öffentlichen Diskussion oft die negativen Aspekte und mögliche Gefahren in den Vordergrund gerückt. Die Potenziale der Technologie, zum Beispiel im Gesundheitswesen, fallen dabei meist unter den Tisch.

    Wir wollen dabei helfen, eine ausgewogene, auf Fakten basierende aber auch durchaus kritische Betrachtungsweise zu entwickeln.

    Welche Informationen fehlen beziehungsweise sollten zugänglich sein?

    Bienert: Es ist wichtig, dass alle Teile der Bevölkerung ein Grundverständnis im Bereich der Informationstechnologie haben. Hier ist unter anderem eine Änderung in der Bildungspolitik erforderlich. Es geht nicht nur darum, dass wir zukünftig mehr Informatiker brauchen, sondern dass jeder die Grundlagen und Zusammenhänge dieser Technologien, die uns ständig umgeben, kennt.

    Auf welche Art und Weise soll diese Aufklärungsarbeit geleistet werden?

    Bienert: Im Bereich der Bildung ist es wichtig, dass Informatik so früh wie möglich zum Pflichtfach in den Schulen wird und auch die technologische Ausstattung der Schulen diesen Anforderungen angepasst wird.

    In der öffentlichen Diskussion wünschen wir uns, dass neben den Berichten und Talk-Runden über mögliche Horror-Szenarien von den Medien auch eine nüchterne Darstellung der Technologie und deren Potenziale stattfindet.

    Wie bewerten sie den Einsatz von KI beispielsweise in den USA für die Vorhersage von Verbrechen oder in China, wo die Polizei spezielle Brillen zur Gesichtserkennung benutzt?

    Bienert: Solche Entwicklungen sehen wir durchaus kritisch. Besonders aufgeschreckt hat jüngst ein Projekt in der chinesischen Stadt Shenzen. Dort werden Personen, die bei Rot über die Ampel gehen, per Gesichtserkennung identifiziert und über große Bildschirme mit Namen an den Pranger gestellt. Gleichzeitig erhalten Sie eine SMS inklusive des Strafzettels.

    Es gilt, solche Entwicklungen in Europa zu verhindern. Allerdings hilft es nicht, den Kopf in den Sand zu stecken und die Technologie zu verbannen. Nur wenn wir, auch im internationalen Wettbewerb, die Algorithmen verstehen und beherrschen, können wir hier aktiv gestalten, um KI zum Wohl der Gesellschaft einzusetzen.

    Dieses Interview erschien zuerst auf futurezone.de – Das neue Tech-News-Portal der Funke Mediengruppe.