Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht „Zerschlagung“ als letztes Mittel. Google beteuert: Wir dienen den Bürgern und Unternehmen.

Berlin/Frankfurt/Main. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Löschmöglichkeiten in Ergebnislisten von Suchmaschinen wird Google einem Bericht zufolge mit Löschanfragen überhäuft. Es gebe aus verschiedenen Ländern in Europa „eine Flut von Anfragen“, die derzeit in dem Suchmaschinenkonzern aufliefen, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf „gut unterrichtete Kreise“. Google habe die Informationen auf Anfrage der „FAZ“ nicht bestätigt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am Dienstag entschieden, dass Internet-Suchmaschinen wie Google bei einer Suche nach einem Namen in bestimmten Fällen nicht alle Treffer anzeigen dürfen. EU-Bürger können von Suchmaschinenbetreibern verlangen, dass sie Links nicht mehr anzeigen, wenn die Inhalte die Persönlichkeitsrechte der jeweiligen Bürger verletzen. Lehnen die Suchmaschinenbetreiber dies ab, können Betroffene die zuständigen Datenschutzbeauftragten einschalten oder klagen.

Derweil legt sich auch die Bundesregierung mit Google an: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat eine drastisch schärfere Regulierung des Internet-Konzerns gefordert und sogar eine Zerschlagung ins Gespräch gebracht. Das Unternehmen reagierte mit Unverständnis. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia will unterdessen das Brüsseler Kartellverfahren gegen Google trotz neuer Beschwerden nach dem Sommer abschließen und betrachtet die Zugeständnisse des Konzerns als ausreichend.

Wirtschaftsministerium und Bundeskartellamt prüften, ob ein Unternehmen wie Google seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, schrieb Gabriel in der „FAZ“. Es müsse geklärt werden, ob durch die Beherrschung einer wesentlichen Infrastruktur Wettbewerber systematisch verdrängt würden. „Eine Entflechtung, wie sie bei Strom- und Gasnetzen durchgesetzt wurde, muss dabei ernsthaft erwogen werden“, erklärte Gabriel. Dies sei aber nur das letzte Mittel.

Innenminister Thomas de Maizière sieht die Politik in der Pflicht, gegen einen möglichen Machtmissbrauch durch den US-Internetriesen vorzugehen. „Wir haben in der Finanzkrise wieder gelernt, dass es den Primat der Politik gibt. Das gilt ebenso für die Welt des Internets“, sagte er dem „Handelsblatt“. Die Marktmacht des US-Konzerns mache ihm Sorge.

Das Kartellamt betonte, eine tiefgreifende Regulierung von Internet-Firmen könnte neue Gesetze erfordern. „Verboten ist nicht die Größe eines Unternehmens, sondern der Missbrauch von Marktmacht“, erklärte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt. Google habe im Missbrauchsverfahren der EU-Kommission bereits durchaus erhebliche Zugeständnisse gemacht.

„Wir sind überrascht von der Ansicht des Wirtschaftsministers, Unternehmen wie Google würden Nutzern, der Wirtschaft und der Gesellschaft schaden“, sagte Google-Deutschlandchef Philipp Justus. Die Google-Suche sei entwickelt worden, um Bürgern am besten zu dienen, und der Konzern kooperiere mit Tausenden Unternehmen weltweit und auch in Deutschland.

Regierungssprecher Steffen Seibert ließ in der Bundespressekonferenz offen, ob Gabriel seinen Vorstoß mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgestimmt habe. Der Bundeskanzlerin sei bekannt, wie intensiv sich Gabriel mit der Digitalisierung beschäftige.