Sascha Lobo provoziert die Netzgemeinde. Bei der Internetkonferenz Republica wurde auch die Machtlosigkeit der Aktivisten gegenüber Google und Co. deutlich.

Berlin. Sie wollen die Freiheit im Internet verteidigen und dabei auch Spaß haben. Drei Tage lang haben mehr als 6000 Menschen über Bedrohungen und Auswege aus der Machtlosigkeit diskutiert, offen für Neues, kontrovers und engagiert. Die Konferenz Republica hat sich vom Bloggertreffpunkt zu einem Forum gemausert, das die wichtigen Fragen der digitalen Gesellschaft stellt.

Den Begriff der „Netzgemeinde“ mag die Szene nicht. Doch die Republica hat genau dieses Gefühl einer großen, lebendigen Gemeinschaft vermittelt. Das Miteinander in der „Station“, dem ehemaligen Postbahnhof von Berlin, hat die Vielfalt der Szene demonstriert. Auf der Republica haben sich Youtube-Stars mit Netzaktivisten ausgetauscht, Programmierer haben Künstler getroffen, der Mainstream hat ein Herz für die Subkultur entdeckt. Oder wie es die Wiener Professorin Sarah Spiekermann formulierte: „Wir müssen es nicht nur akzeptieren, sondern richtig toll finden, dass wir als Menschen verschieden sind.“

Gemeinsamer Nenner ist die entschiedene Ablehnung von allem, was das Leben im Netz einschränken könnte – auch wenn dabei Grenzen überschritten werden. In einer Runde mit Lifestyle-Bloggerinnen wandte sich die Berliner Bloggerin Lotte von Bausznern gegen den Vorschlag, sich in einer Art Kodex feste Regeln zu geben: „Die Blogosphäre lebt von der Freiheit!“

Wie fragil diese Freiheit ist, haben die Enthüllungen von Edward Snowden gezeigt. Der ehemalige Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA war der geheime Star der Konferenz, einhellig war die Forderung nach einem Asyl in Deutschland.

„Wir freuen uns, dass die Republica politischer geworden ist, und das war auch notwendig“, sagt Mitveranstalter Markus Beckedahl am Donnerstag. Jetzt sei eine neue Aufbruchsstimmung spürbar.

Vielleicht war dafür die verbale Ohrfeige notwendig, die Sascha Lobo in seiner flammenden „Rede zur Lage der Nation“ ausgeteilt hat: „Ihr habt versagt!“ Für den Vogelschutz gebe es mehr Geld als für den Kampf um die Freiheit im Netz. Deswegen müsse endlich eine professionelle Lobby-Arbeit her. „Wir brauchen einen neuen Internet-Aktivismus.“

Die Aktionskünstler vom Berliner Peng Collective machen das auf ihre Weise. „Zeit für Sabotage“ nannten sie ihren Workshop und fragten: „Sollen Aktivisten nur legale Dinge tun?“ Nein, fanden die meisten Teilnehmer. Am nächsten Tag traten die Berliner Aktivisten in einer umstrittenen Aktion als Google-Manager auf, erklärten, dass der Internet-Konzern die tiefsten Bedürfnisse aller Nutzer kenne, und stellten entsprechende „Produkte“ vor: „Wir tun dies in der festen Überzeugung, dass das Internet uns gehört.“

Dabei sind die großen Unternehmen wie Daimler und Microsoft auch mit im Boot der Republica, gaben viel Geld aus, um sich in der Szene zu zeigen. F-Secure engagierte dafür den Sänger David Hasselhoff – für Kritiker ein eher peinlicher Auftritt.

Morgan Marquis-Boire von der Universität Toronto lehrte die Konferenz am Donnerstag eine Stunde lang das Fürchten. Immer raffinierter werden Programme, die staatliche Stellen für das Einbrechen in Computer verwenden. Dafür gebe es inzwischen einen Milliardenmarkt. Dennoch habe er den Glauben ans Internet nicht verloren – „es ist wichtig, große und unmögliche Träume zu träumen!“