Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums stellt fest: Grundlose Vorratsdatenspeicherung verbessert die Aufkärung von Straftaten nicht.

Berlin. Der seit Monaten anhaltende Koalitionstreit um die Vorratsdatenspeicherung erhält neue Nahrung. Eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums unterstützt die These, dass eine grundlose Vorratsdatenspeicherung nicht die Aufklärungsquote von Straftaten verbessert. „Wir glauben daher, dass das Gutachten unsere Position stärkt, wonach man Daten dann erheben soll, wenn es einen konkreten gibt“, sagte Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP).

Eine anlasslose Speicherung lehnt das Ministerium nach wie vor ab. Es sieht sich durch das neue, jetzt vorliegende Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg in seiner Haltung bestärkt. Dagegen bekräftigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, Vorratsdaten seien für die Sicherheitsbehörden ein wichtiger Ermittlungsansatz. In dem seit Monaten andauernden Streit gibt es seit langem keine Bewegung mehr.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung 2010 gekippt. Seitdem dürfen Telefon- und Internetverbindungsdaten nicht mehr anlasslos sechs Monate lang zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden. Für eine Neuregelung ist Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zuständig. Sie will die Daten aber nur nach konkretem Anlass speichern lassen, damit sie Ermittlern bei Bedarf zur Verfügung stehen („Quick Freeze“). Der Union und dem CSU-geführten Bundesinnenministerium geht das aber nicht weit genug.

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Für die Studie werteten die Wissenschaftler Daten zu bestimmten Kriminalitätsbereichen aus und verglichen die Lage in Deutschland mit der in anderen Ländern mit Vorratsdatenspeicherung. Einen Einfluss der Vorratsdatenspeicherung auf die Aufklärungsquote sahen sie nicht. Zudem befragten sie Ermittler. Diese hätten von Einschränkungen in ihrer Arbeit durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung berichtet. Ob noch Daten zu bekommen seien, hänge von der Speicherpraxis und der Auskunftsbereitschaft der jeweiligen Telekommunikationsfirma ab, gaben die Wissenschaftler die Äußerungen der Befragten wieder.

Staatssekretär Stadler sagte: „Die Studie zeigt, dass die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung nicht empirisch belegt, sondern nur ein Gefühl der Praktiker ist.“ Er kündigte an, die Ergebnisse der Studie dem Bundestag und der Europäischen Kommission zur Verfügung zu stellen. Eine EU-Richtlinie schreibt eine sechs Monate lange Vorratsdatenspeicherung vor. Allerdings haben neben Deutschland auch mehrere andere EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie, die derzeit auf dem Prüfstand steht, nicht umgesetzt.

Ein Sprecher von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte hingegen, wenn Täter elektronisch kommunizierten, ließen sie sich ohne Vorratsdaten nicht ermitteln. Der einzige Ermittlungsansatz zur Feststellung ihrer Identität sei eine IP-Adresse eines Computers oder eine Telefonnummer. Jedoch seien die Daten bei den Internet-Providern oft bereits gelöscht, wenn die Sicherheitsbehörden die Ermittlungen aufnähmen. Zwischen März 2010 und April 2011 seien 85 Prozent der Auskunftsersuchen des Bundeskriminalamtes zu Vorratsdaten nicht von den Firmen beantwortet worden.

Die Autoren der Studie kritisieren indirekt, dass in der öffentlichen Debatte vor allem Verbrechen an Kindern und alten Menschen als Beleg für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung herangezogen werden. „Die auf Einzelfälle gegründete Argumentation weist den Einzelfall als ’typisch’ aus, ohne dass dies aber empirisch belegt oder belegbar wäre“, schreiben sie. Unter anderem hatte auch der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, über „Schutzlücken“ und Probleme bei Ermittlungen - auch zur rechtsextremen Zwickauer Zelle – geklagt.

Allerdings verweisen die Autoren der Studie darauf, dass ihr Ergebnis nur eine „Momentaufnahme“ sei. „Die Lage ist gegenwärtig gekennzeichnet durch eine noch sehr unsichere statistische Datengrundlage (und) das Fehlen systematischer empirischer Untersuchungen“, heißt es in ihren Schlussfolgerungen.