Grünheide. Eigentlich ist Bäckermeister Wolfgang Scharmer im Ruhestand. Doch da kommen ihm jede Menge Ideen, vor allem seit er die Wirkung von Nutzhanf-Samen für sich entdeckt hat. Sein Hanf-Brot können Interessierte unkompliziert nachbacken.

Wolfgang Scharmer fühlt sich fit wie der sprichwörtliche Turnschuh und hat deshalb seinen Beruf zum Hobby gemacht, wie er es beschreibt. Vor vier Jahren gab der Bäckermeister aus dem Grünheider Ortsteil Mönchwinkel (Oder-Spree) seinen Betrieb auf. "Ich fand einfach kein Personal mehr."

Der 69-Jährige stellte sich aufs beschauliche Rentnerdasein ein und fühlte sich noch im vergangenen Jahr "auf dem besten Wege, ein alter Mann zu werden". Doch diese Zeiten seien dank Hanfsamen vorbei.

Auf dessen gesundheitsfördernde Wirkung schwört Scharmer. "Viele denken bei Hanf sofort an die berauschende Wirkung durch das enthaltende THC", weiß der Bäcker. Zum Anbau zugelassen sind in Deutschland allerdings nur Nutzhanf-Sorten, deren THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt, erklärt Andreas Grün von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die in Deutschland den Hanfanbau kontrolliert. 6440 Hektar Nutzhanf seien in diesem Jahr deutschlandweit angebaut worden, Tendenz steigend. "Es handelt sich um eine für den Landwirt einfach zu handhabende, da anspruchslose Anbaukultur, ohne großen Pflegebedarf, aber mit vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten", sagt Grün.

Nähr- und Vitalstoffe

Hanf-Samen enthalte viele Nähr- und Vitalstoffe, wie Zink, Magnesium und Eisen, Spurenelemente und Fettsäuren und sei eine gesunde Nahrungsergänzung, meint Scharmer. Er sei inzwischen viel aktiver, verrät der Rentner, der monatelang nach der richtigen Rezeptur für sein Hanfbrot suchte. Mit ein bisschen "Körner zusammenrühren" sei es da längst nicht getan. "Wenn Du zu wenig Hanfsamen nimmst, schmeckt es nicht, nimmst Du zu viel, bekommst Du keinen Halt in den Teig, das Brot fällt auseinander", beschreibt Scharmer die Herausforderung.

Inzwischen hat er den Bogen raus, die genaue Rezeptur bleibt aber sein Geheimnis. "Es gibt schon Hanfbrot anderer Hersteller, aber mit weitaus weniger verarbeitetem Hanfsamen. Bei mir sind es immerhin 21 Prozent." Der Bäckermeister verkauft keine fertigen Brote, sondern die Zutatenmischung zum Selberbacken in der Holzform. "Der Käufer gibt 250 Milliliter Buttermilch und 50 Milliliter Wasser dazu, rührt den Teig an, der dann für zwei Stunden in den Ofen kommt", erklärt er. Wer zusätzlich Backmalz verwende, könne daraus auch schmackhafte Hanfbrötchen machen, lautet sein Tipp.

Schwer zu vermarkten

Schuld an Scharmers neuer Vorliebe für Hanfsamen ist Benjamin Meise, Geschäftsführer der Fürstenwalder Agarprodukte GmbH Buchholz (Oder-Spree), die 3400 Hektar Ackerflächen bewirtschaftet. "2018 und 2019 hatten wir bei Raps, Getreide und Mais sehr schlechte Ernteerträge und suchten nach Alternativen", erzählt er. Im vergangenen Jahr baute das Unternehmen zu Testzwecken zwei Hektar Nutzhanf an, der auf dem kargen Brandenburger Boden erstaunlich gut wuchs, wie Meise berichtet. "Allerdings war und ist der schwer zu vermarkten, es gibt einfach noch keine Infrastruktur dafür." Deswegen suchte sich der Firmenchef regionale Partner - eine Kaffeerösterei in Bad Saarow (Oder-Spree) beispielsweise und Bäckermeister Scharmer.

Zu kaufen gibt es seine Hanf-Brot-Backmischung in Meises Firma. "Wenn es sich lohnt, bauen wir weiter Hanf an. Doch die Vermarktung ist noch ein langer Weg", sagt Meise. Der Bäckermeister experimentiert inzwischen an neuen Kreationen wie einer Backmischung für Kürbis - oder auch Möhren-Ingwer-Brot.

Das Geheimnis ist die Zutat

Zwar hat der 69-Jährige die echte Backstube gegen ein Kämmerchen im Bürgerhaus des Heimatmuseums Mönchwinkel getauscht. Aber der Erfolg gibt ihm recht: Sein Hanfbrot schnitt im Sommer bei der Brotprüfung der Konditoren- und Bäcker-Innung "Germania" mit einem "sehr gut" ab.

Das Geheimnis eines guten Stollens sei zunächst die Auswahl der Zutaten und die Zubereitung selbst. "Rosinen müssen gewaschen, Mandeln in Milch eingeweicht werden. Der Teig sollte über Nacht ruhen", rät Scharmer. Am 7. Dezember will er sich mit seinem Hanf-Stollen der Stollenprüfung der Bäckerinnung in Fürstenwalde (Oder-Spree) stellen. Form, Aussehen und Geschmack kommen auf den Prüfstand, weiß der 69-Jährige, der selbst 14 Jahre lang Innungs-Obermeister bei Germania war.

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