Mainz. Auf der Terrasse trällert die Amsel, ins Glas kommt ein Sauvignon Blanc. Gut 100 Teilnehmer lauschen bei Instagram, wie ein Rheingauer Winzer erklärt, wie er seinen Wein mit möglichst viel Aromastoffen in die Flasche bringt. Online-Proben sind im Trend.

"Ich bin ein Kind des Rieslings", bekennt der Rheingauer Winzer Alexander Jung. So startet denn auch die Online-Weinprobe des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) mit einem Riesling-Gutswein des Weinguts in Erbach.

Mehr als 100 Teilnehmer sind beim Live-Video auf Instagram dabei, und viele haben sich vorher die drei Flaschen der Online-Weinprobe zuschicken lassen. Einer von ihnen kommentiert in der Chat-Zeile: "Ein guter SuZ-Wein". Der Winzer lacht und erklärt, warum sein 2018er Riesling dann doch mehr ist als ein "Sauf- und Zechwein".

Über 100 Betriebe mit eigenen Online-Weinproben

Online-Weinproben sprießen in der Corona-Krise wie Pilze aus dem Boden, aus dem Terroir, wie die Winzer sagen würden. Das Deutsche Weininstitut listet mehr als 100 Betriebe mit eigenen Online-Weinproben an, von der Mosel bis zum Anbaugebiet Saale-Unstrut. "Die Betriebe können so mit verhältnismäßig kleinem Aufwand viele Menschen erreichen", sagt Weininstitutssprecher Ernst Büscher.

"Das ist ein Trend, der aus der Not geboren ist, aber die Online-Weinprobe wird auch nach Corona-Zeiten noch Bestand haben." Für Ende Mai lädt die deutsche Weinkönigin Angelina Vogt zusammen mit zwei Weinprinzessinen an drei Abenden zu Online-Weinproben mit regionaltypischen Weinen aus allen 13 deutschen Anbaugebieten ein.

Im Chat werden Fragen beantwortet

Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), dem auch das Weingut Jakob Jung angehört, setzt alle zwei Wochen einen besonderen Themenschwerpunkt. Begleitet von Amselgesang auf der Terrasse im Rheingau stellt Winzer Jung drei Gutsweine vor. Diese sind zwar die Einstiegskategorie der Prädikatsweingüter. Aber die Online-Weinprobe macht deutlich, wie anspruchsvoll diese Weine sind.

"Wir lassen die Weine so lange es geht auf der Hefe", erklärt Jung. Der Wein solle so das typische Aroma eines auf Lösslehm gewachsenen Rieslings auf die Zunge bringen. "Was ist der Unterschied zu einem Riesling auf Muschelkalk?" wird im Chat gefragt. Der Winzer antwortet: "Wir haben diese saftigen, rassig-mineralischen Weine. Weine auf Muschelkalk sind würziger, auch etwas schlanker durch den Kalkanteil und wirken vielleicht etwas leichter."

Das Etikett verspricht "ein harmonisches Säurespiel" und deutet damit an, dass dieser Riesling kein "Sauerampfer" ist, wie es in Rheinhessen genannt wird. "Bei vielen Konsumenten werden säureärmere Weine stärker nachgefragt, darauf haben wir uns eingestellt", erklärt Jung.

Weiter geht die Probe zu einer Cuvée von Weißburgunder und Chardonnay. "Das ist eine spannende Kombination, weil sie das Würzige vom Weißburgunder mit der feinen Raffinesse vom Chardonnay verbindet", erklärt der Winzer. Sein Vater habe sich schon 1990 mit der Rebsorte Chardonnay angefreundet, fünf Jahre vor der amtlichen Zulassung im Rheingau.

Digitalisierung der Weinbranche

Seinen Höhepunkt findet das Hinschmecken nach den Aromen mit einem 2019er Sauvignon Blanc. "Cassis, Waldbeerenaroma, ein bisschen Litschi in der Nase", analysiert Winzer Jung. Die Moderatorin Theresa Olkus entdeckt auch grüne Paprika im Geschmack - eine Teilnehmerin schmunzelnd hingegen eher gelbe Paprika. Damit in der Herstellung des Weins möglichst wenig Aromen in die Luft entweichen, arbeitet der Winzer schon bei der Lese mit Trockeneis: Die Bütten mit den gelesenen Trauben kommen in einen Kühlwagen, der auf zwei Grad gekühlt ist. Auch auf der Maische, wenn der Most noch mit der Beerenhaut verbunden ist, wird mit Trockeneis darauf geachtet, dass die Aromastoffe erhalten bleiben. "Das klingt nach viel Aufwand", sagt Theresa Olkus. "Das ist ein Wein, der in Erinnerung bleibt."

Eine Online-Weinprobe könne das Verkosten im Beisammensein mit anderen Menschen nicht ersetzen, sagt die VDP-Moderatorin. Aber jetzt zeige sich, wie schnell sich die Weinbranche wegen der Corona-Pandemie weiter digitalisiert habe. "Wir wollen das auch langfristig machen und das Format so weiterentwickeln, dass es interessant bleibt."