Hamburg. Detlef Möllgaard führt das gesamte Sortiment der Käsestraße Schleswig-Holstein. Gerd Rindchen hat ihn besucht.

Wer die Vielfalt der in Schleswig-Holstein handwerklich arbeitenden Käsereien mal erleben möchte, hat dafür zwei Möglichkeiten: Entweder er plant eine mehrtägige Reise durch das schöne Bundesland an Nord- und Ostseeküste. Oder er steuert das beschauliche Hohenlockstedt unweit von Itzehoe an. Denn hier residiert der Meierhof Möllgaard.

Detlef Möllgaard und seine Tochter Kirsten sind so etwas wie die Hohepriester der Käsevielfalt im nördlichsten Bundesland. Rund 30 kleine Hofkäsereien und Meiereigenossenschaften haben sich in der „Käsestraße Schleswig-Holstein“ zusammengefunden, und ihr gesamtes Produk­tionsspektrum – stolze 90 Käsesorten – kann man auch im Hohenlockstedter Hofladen des Meierhofs erstehen.

Regelmäßig werden Käsereien im Norden besucht

Dabei erfüllt der Meierhof gleich mehrere Funktionen. So fungiert er für das regionale Käsehandwerk auch als Großhandel: Alle 14 Tage klappern Möllgaards die Käsereien des Landes ab, versorgen ihren eigenen Meierhof-Laden und beliefern überdies beispielsweise das Bartels-Langness-Zentrallager. Diese ausgesprochen qualitätsorientierte schleswig-holsteinische Handels- und Lebensmittelholding legt viel Wert auf Regionalität und vermarktet ungefähr 25 der regionalen Käsesorten in ihren Famila- und Markant-Supermärkten im Norden.

Darüber hinaus agiert der Meierhof als Direktvermarkter und Schaukäserei: Aus frischer Milch von der Hohenlockstedter Milchtankstelle wird hier die Milch in einen sehr milden, mozzarella-artigen Frischkäse verwandelt. So können interessierte Gäste live miterleben, wie aus der Milch Frischkäse entsteht – und sich hinterher bei einem üppigen Imbiss mit Käsebrötchen und Kaffee durch die vielfältige schleswig-holsteinische Käsewelt schlemmen.

Mit den Preisen will er auf dem Teppich bleiben

In Zusammenarbeit mit einem rheinhessischen Winzer und norddeutschen Weinhändlern gibt es überdies „Käse und Wein“-Abende, bei denen zur Käseprobe die passenden Gewächse gereicht werden. Dabei ist es den Möllgaards wichtig, mit den Preisen auf dem Teppich zu bleiben, um möglichst viele Menschen zu gutem Regionalkäse zu bekehren: Das Schaukäsen mit Imbiss kostet 20 Euro, der Käse-und-Wein-Abend moderate 22 Euro – zwei Angebote, die vor allem Hamburger Busunternehmen rege für ihre Gäste nutzen.

Eine von rund 90 Käsesorten im Meierhof-Programm
Eine von rund 90 Käsesorten im Meierhof-Programm © Eva Haeberle/Junius Verlag | Eva Haeberle/Junius Verlag

Zudem haben die rastlosen Möllgaards mit EU-Fördermitteln und befreundeten Partnern den Ort Hohenlockstedt zum Ausflugsziel entwickelt. Neben ihrer Meierei locken hier heute ein Kartoffel­fest, ein Premium-Schlachter, eine Fischerei mit Räuche­rei und mehrere ambitionierte Gastronomiebetriebe die genussfreudigen Mitbürger ins grüne Herz Schleswig-Holsteins.

Es gibt viel zu tun

Damit auch ja keine Langeweile aufkommt (Detlef Möllgaard samt ­Tochter ­Kirsten kommen in der Saison gut und gern mal auf Sieben-Tage-80-Stunden-Wochen), bespielen die Käse-Botschafter mit ihrem Verkaufswagen auch noch Veranstaltungen wie die NDR-Landpartie, den Nieheimer Käsemarkt, den Slow-Food-Käsemarkt des Nordens oder einige Weihnachtsmärkte. Last but not least: Auch die benachbarten Wackener Heavy-Metal-Kulturtage wären mittlerweile ohne eine fürsorgliche Meierhof’sche Käsespieß-Grundversorgung der Festivalbesucher undenkbar.

Seinen Werdegang beschreibt Detlef Möllgaard so: „Geboren wurde ich 1943 im nordfriesischen Dörpum auf einem Milchbauernhof. Nach der Schule habe ich dann 1959 eine Meiereilehre in Bredstedt gemacht und anschließend Groß- und Außenhandelskaufmann bei einer landwirtschaftlichen Genossenschaft in Husum gelernt.

Nach der Bundes­wehr und weiteren Stationen bei kleineren Meiereigenossenschaften studierte ich von 1967 bis 1970 in Hannover und schloss als Diplomingenieur für Milchwirtschaft ab. In Lübeck konnte ich anschließend bei der damaligen Hansa-Milch die Marke ­Hansano mit aufbauen, habe später 17 Jahre den Meierei-Frischdienst Schleswig-Holstein geführt und ab 1992 die Meiereizentrale Gut von Holstein geleitet. Im Grunde genommen war ich bis 1998 überwiegend im indus­triellen Sektor unterwegs: Zwei Drittel der schleswig-holstei­nischen Milchprodukte und Käse müssen schließlich über die Landesgrenzen hinaus exportiert werden.

„Genusshelden“

  • Gerd Rindchen, Hamburger „Wein-Papst“ und exzellenter Kenner der hiesigen Gastro-Szene, stellt in seinem Buch „Genusshelden“ Hamburger vor, die mit ihrer Leidenschaft für gutes Essen und Trinken die Stadt kulinarisch bereichern. Das Buch, das vom Junius Verlag und dem Abendblatt gemeinsam herausgebracht wird, enthält insgesamt 30 Porträts sowie ebenso viele Rezepte. Es hat 144 Seiten, kostet 29,90 Euro und ist im Buchhandel, in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) sowie unter www.abendblatt.de/shop erhältlich. Das Abendblatt druckt eine Auswahl der Geschichten jeden Sonnabend auf der Seite „Zu Tisch“.

Da dominiert natürlich die Großproduktion: Foliengereifter Käse mit einem einheitlichen industriellen Geschmacksbild, den man sowohl nach Russland als auch nach Kanada verkaufen kann. Richtige Geschmacksunterschiede und individuelle Ausprägungen ent­wi­ckelt aber ausschließlich Käse mit Naturrinde, weil da die Keller­flora mit gezielten Bakterien- und Schimmelpilzkulturen ihren Einfluss entfalten kann.

1959, als ich anfing, gab es noch 450 genossenschaftliche Meiereien in Schleswig-Holstein, 1998 weniger als 15. Mein ‚Erweckungserlebnis‘ hatte ich dann im Mai 1998 beim ersten Slow-Food-Käsemarkt des Nordens im Freilichtmuseum am Kiekeberg, initiiert von Burchard Bösche und Lothar Tubbesing. Da stand ich nun mit meinen fünf Gut-von-Holstein-Käsereien zusammen mit 15 kleinen privaten Hofkäsereien. Die waren zum Teil von Bäuerinnen gegründet worden, um ihren Feriengästen etwas Besonderes bieten zu können.

Geschmacklich und produktionsseitig ziemlich eingefahren

Wir industriell Vorgebildeten waren ja geschmacklich und produktionsseitig ziemlich eingefahren, und ich war schwerstbeeindruckt, was diese Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger da, teilweise auch in Demeter-Qualität, schon Großartiges zu bieten hatten. Der absolute Schlüsselsatz für mich stammte von Burchard Bösche: ‚Ihr Käser seid die Winzer des Nordens!‘

Aus all diesen Überlegungen und Eindrücken heraus haben wir die Käsestraße Schleswig-Holstein ins Leben gerufen. Burchard Bösche ist damals mit seiner Frau Anne Moderegger alle Käsereien in Schleswig-Holstein abgefahren und hat alle zum Mitmachen motiviert. Am Neujahrstag 2000, pünktlich zu Beginn des neuen Jahrtausends, haben wir dann den Meierhof Möllgaard in Hohenlockstedt gegründet, den wir auch heute noch mit großer Freude führen – auch wenn es verdammt viel Zeit kostet.“