Heute muss alles schnell gehen. Doch es lohnt sich beim Backen auf die alten Zutaten zurückzugreifen: Mehl, Wasser, Salz und Zeit.

Kennen Sie Emmer? Das ist kein kürzlich entdeckter Nebenfluss der Elbe oder der neueste Trend bei männlichen Vornamen. Emmer ist eine alte Getreidesorte. Genauso wie Einkorn oder Dinkel. Sie gehören zu den ersten kultivierten Getreidesorten. Und als noch bei den Bauern selbst oder gemeinsam im Dorf Brot gebacken wurde, da wurde ihr Mehl verwendet. Dann gerieten sie in Vergessenheit. Aber seit immer mehr Menschen das Brot von Bäckereiketten oder Discountern nicht mehr schmeckt, besinnt man sich zurück auf bäuerliches Backen.

Deutschland ist das Land der Brotvielfalt. Mehr als 3000 Sorten werden angeboten, vom Schwarzbrot im Norden bis zur Brezel im Süden. Am 26. April ist der Tag des Deutschen Brotes, der auf Initiative des Bäckerhandwerks zum vierten Mal begangen wird. Mittlerweile wurde die deutsche Brotkultur in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco in Deutschland aufgenommen.

Früher auf dem Dorf wurde alle drei bis vier Wochen gebacken. Wegen der Feuergefährlichkeit hatte der Backofen seinen Platz weitab von den anderen Gebäuden, häufig sogar als Dorfmittelpunkt. Ein Backtag begann früh, die Männer heizten den Ofen an. Meist war dieser aus Lehm. Vom letzten Backtag hatte man etwas Sauerteig im kühlen Keller aufbewahrt, sodass das Mehl noch am Vorabend angesäuert werden konnte.

Die Frauen kneteten dann gemeinsam im großen Backtrog den Teig. Zwei bis drei Stunden vergingen, bis der Teig gemengt war und die geformten Brote zum Einsetzen in den geheizten Backofen fertig dalagen. Vorher mussten die Aschereste aus dem Ofen entfernt und dessen Boden gereinigt werden.

Ähren als Temperatur-Tester

Die richtige Hitze wurde mit ein oder zwei Roggenähren geprüft, die in ein Brot gesteckt wurden, das man zur Probe in den Ofen schob. Wurden die Ähren schwarz, so war die Hitze noch zu stark, und man musste die nötige Abkühlung abwarten. Dann wurden alle Brote im Ofen platziert. Wenn die großen Laibe gebacken waren, kamen die Butterkuchen in den Ofen. Die Nachwärme des Backofens wurde schließlich noch zum Dörren von Flachs oder Obst genutzt.

Der elsässische Eintopf Baeckeoffe mit Fleisch, Gemüse und Weißwein in speziellen ovalen Terrinen ist übrigens auch ein Nebenprodukt der Backtage. Die Frauen schoben die Töpfe in den Ofen, um Zeit zu sparen und seine Restwärme auszunutzen.

Irmtraud Gutmann hat sich dem bäuerlichen Backen verschrieben. Die Gesellin arbeitet seit elf Jahren in der Schaubäckerei im Freilichtmuseum am Kiekeberg. „Unser Ofen wird mit Kiefern- und Birkenholz angeheizt, das Brot auf Steinen gebacken“, sagt die Lüneburgerin. „Das gibt eine schöne Kruste und einen anderen Geschmack, denn der Rauch sitzt in den Steinen.“ Bei 300 Grad kommt das Brot in die Backkammer. Bis zu acht Sorten sind im Laden im Museum im Angebot, und auch nur dort wird das Brot, das Irmgard Gutmann und ihre Kollegen nach alten Rezepten und in Bio-Qualität herstellen, verkauft.

Körner vom Dinkel, einem der ältesten Getreide der Welt
Körner vom Dinkel, einem der ältesten Getreide der Welt © picture alliance / Arco Images | dpa Picture-Alliance / J. Pfeiffer

Besonders gern isst die Gesellin das hauseigene Schwarzbrot mit Käse. Nach den Laiben mit Roggenschrot und Dinkelvollkorn kommen Kuchen und Kekse in den Ofen. „Butter- und Obstkuchen, Kekse aus Mürbeteig, Spritzgebäck und sogar Schoko-Mandel-Baisers haben wir je nach Saison im Angebot.“

„Mehl, Wasser, Salz, Zeit und Ruhe“: So definiert Andreas Sommers bäuerliches Backen. Auch der Ernährungsberater aus Henstedt-Ulzburg plädiert beim Brotbacken für die handwerkliche Fertigung statt industrieller Herstellung. Aber die Arbeit mit Sauerteig brauche eben Zeit. „Mischen Sie mal Vollkornmehl aus Roggen, Weizen oder Dinkel mit Wasser und warten ab, was passiert. Das ist lebende Mikrobiologie.“

Der 51 Jahre alte Bäcker aus Leidenschaft benutzt für seine Produkte Vollkornmehl, denn im Keim stecken die Geschmacks- und Vitalstoffe. Dinkel der Sorte Oberkulmer Rotkorn, Emmerweizen oder Waldstaudenroggen haben vergleichsweise kleine Getreidekörner. Die alten Getreidesorten bezieht Sommers von einem Bauern aus dem Hunsrück und mahlt sowie schrotet sie selbst. Das andere Mehl, das er braucht, kommt aus einem großen Mühlenbetrieb in Kollmar an der Unterelbe.

Schwarzbrot mit Kümmel und Zuckerrübensirup

5000 Kilogramm Getreide verarbeitet Sommers pro Jahr für selbst gebackene Brote und selbst zusammengestellte Backmischungen, die er auf Wochenmärkten, im Eigenvertrieb und auf Museumsfesten verkauft. Auf Bestellung stellt er auch Spezialbrote für gesundheitlich eingeschränkte Kunden her. Ein Renner ist sein Holsteiner Schwarzbrot mit gesäuerten Roggenkörnern, Kümmel und Zuckerrübensirup. „Zwei Scheiben davon, und man ist richtig satt“, sagt der bäuerliche Bäcker.

Zeit für ein Roggenschrotbrot


350 g frischer Roggenschrotsauerteig, 500 g Roggenschrot 1800, 600 g Roggenvollkornmehl, 1 EL Meersalz, 2–3 EL Brotgewürz, 450–500 ml lauwarmes Wasser.   Für den Schrotsauerteig 100 g Roggenschrot in 200 ml Wasser und 50 g Roggensauerteig für ca. 24 Stunden einweichen.


Dann alle Zutaten in einer Rührschüssel gut durchkneten, bis der Teig fest, aber leicht klebrig ist. Acht bis zwölf Stunden ruhen lassen.


Wenn der Teig sich um ca.  50 % vergrößert hat, aus der Schüssel nehmen, mit der Hand durchkneten, in zwei Laibe teilen, auf Backpapier und Backbleche legen und mit etwas Mehl einreiben. Eine weitere Stunde gehen lassen.


Bei 170 Grad Umluft (Ober-Unterhitze 180 Grad) backen. Brote auskühlen lassen. Ihren besten Geschmack haben sie am nächsten Tag  (Rezept von Andreas Sommers).

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Das gelte auch für sein Toastbrot aus Roggensauerteig, Dinkel-Vollkorn, etwas Butter und Hefe, das mit der „weichen Pappe aus dem Supermarkt“ nichts zu tun habe. „Darauf selbst gemachte Marmelade – ein Genuss zum Frühstück.“