Hamburg. Fingerfood hat auch die Privathaushalte erreicht. Aber die Kleinigkeiten brauchen in der Zubereitung so lange wie ein Menü.

Käse-Igel war gestern, ebenso mit Fleischsalat gefüllte Tomaten als Fliegenpilze verkleidet und halbe hart gekochte Eier mit drei Körnchen Fischrogen als Deko. Heute gibt es Gemüse­sticks mit Kräuterdip, Hähnchenspieße mit Erdnuss-Sauce, Pflaumen oder Datteln im Speckmantel, kleine Sandwiches und Wraps, Frühlingsrollen, gefüllte Blätterteig-Taschen und Kartoffelsuppe mit Lachs in kleinen Gläsern. Kein Stehempfang, keine Vernissage, keine Produkt-Präsentation mehr ohne Fingerfood.

Als Fingerfood bezeichnet man kleine Snacks, die man ohne Teller und Besteck einfach von der Servierplatte nehmen und möglichst mit einem Bissen essen kann. Die verwendeten Zutaten sollen nicht tropfen, kleben oder beim Abbeißen spritzen. Die Häppchen und kleinen Speisen werden entweder auf großen Platten serviert, oder aber auf speziellen Partylöffeln aus Porzellan, Edelstahl oder Kunststoff, kleinen Schiefer- oder Glasplatten oder in Mini-Weckgläsern. All diese Dinge gibt es in Haushaltswarengeschäften oder im Internet, aber mittlerweile auch im Sonderverkauf bei Lebensmittel-Discountern. Die Häppchen-Kultur hat private Haushalte erreicht.

Mini-Tartes mit Artischocken und Spaghettini mit Kaviar

Oft ist es schwierig abzuschätzen, wie viel Fingerfood benötigt wird. Hier ist entscheidend, wann und wie viele Personen der Einladung folgen. Für einen kleinen Umtrunk am Vormittag reichen oft zwei bis drei Häppchen pro Person. Bei einer größeren Feier am Abend sollten zehn bis 15 Kleinigkeiten eingeplant werden, da der Hunger abends oft größer ist. Natürlich ist auch die Art der Häppchen entscheidend: Ein Snack mit Fleisch oder Käse sättigt mehr als ein Gemüsespieß.

Die spanische Variante sind Tapas. Eine Tapa, spanisch für Deckel oder Abdeckung, ist ein kleiner Appetithappen, der in Tapas-Bars auf der Iberischen Halbinsel üblicherweise zu Wein, Bier oder Sherry gereicht und im Stehen verzehrt wird. Auch in Deutschland beliebte Kleinigkeiten sind Fleischklößchen (Albóndigas), Oliven, gesalzene Mandeln, Serrano-Schinken und Chorizo, Muscheln und Sardellen (Boquerones) sowie in Olivenöl zubereitete und mit grobkörnigem Salz gewürzte Paprikaschoten (Pimientos de Padrón).

Angeblich geht die Entstehung auf den Brauch zurück, alkoholische Getränke mit einem Deckel abzudecken; dieser sei zu Anfang mit Oliven beschwert worden, um nicht fortgeweht zu werden, und mit der Zeit seien die Beschwerungsmethoden immer einfallsreicher, kunstvoller und schmackhafter geworden.

Eine andere Version besagt, dass die Wirte in Spanien früher eine Scheibe Brot (Tapa) auf das Weinglas legten, um das kostbare Getränk vor lästigen Fliegen zu schützen. Dieser Deckel wurde im Laufe der Jahre dann immer weiterentwickelt.

In Italien kennt man Häppchen als Stuzzichini. Dazu gehören auch die klassischen Antipasti wie Mozzarella-Tomate, Parmaschinken und Salami, eingelegtes Gemüse, gegrillte Pilze, Käse, Oliven und Peperoni sowie Bruschetta oder Crostini. Dafür werden geröstete Brotscheiben mit Tomate und Basilikum oder einer Mischung aus Salami, eingelegten Tomaten und Artischocken belegt. Das Brot kann auch mit Leberpastete oder Lachscreme bestrichen und mit gehobeltem Parmesan bestreut werden.

Die Hamburger Sterneköchin Anna Sgroi servierte kürzlich beim Empfang eines italienischen Herrenausstatters unter anderem Mini-Tartes mit Artischocken, Spaghettini mit Kaviar, süße Hörnchen und Macarons. „Das macht fast so viel Arbeit wie ein Menü im Restaurant“, sagt die Italienerin.

Apropos: Die amerikanische Happy Hour ist in der Mode-Metropole Mailand die Zeit des Aperitivo. Als italienische Antwort auf den kleinen Hunger gibt es in der Regel zwischen 17 und 21 Uhr zu den Drinks großzügige Büfetts: Pizzastückchen, Quiches, Pasta, Salate, Schinken, Salami, Gemüsesticks und Süßes gehören zum Standard. Oft ist das Angebot so reichhaltig, dass schon von „Apericena“, zu Deutsch Aperi-Abendessen, gesprochen wird.

Ein Stück Mailand an der Elbe bietet neuerdings das Restaurant Favoloso. Beim Aperitivo Milano werden zwischen 17 und 20 Uhr zu jedem Drink oder Glas Wein kleine Köstlichkeiten wie marinierter Lachs mit Fenchel, italienischer Aufschnitt, Muschelsuppe, Zucchini-Röllchen, Carpaccio und gefüllte Focaccias gereicht. Ein Blick aus den großen Fenstern auf die Dammtorstraße, auf dem Tisch ein Glas gut gekühlten Prosecco oder Aperol Spritz, dazu ein paar Häppchen mit den Fingern – für die italienischen Momente in der Hansestadt.