Wenn dem Gehirn Blut und Sauerstoff fehlen, sitzt die Ursache oft in einer verengten Halsschlagader.

Wer in die Jahre kommt, sollte immer mal in größeren Zeitabständen seine Halsschlagadern kontrollieren lassen. Sind diese Blutgefäße nämlich durch arteriosklerotische Ablagerungen hochgradig eingeengt, kann es, weil das Gehirn zu wenig Blut und Sauerstoff erhält, jeden Augenblick zu einem Schlaganfall kommen. Bis zu 30 Prozent der rund 250 000 Schlaganfälle, die pro Jahr in Deutschland zu beklagen sind, treten als Folge einer solchen Arterienverengung (Carotisstenose) auf. Wird die Stenose dagegen früh genug erkannt, lässt sie sich operativ beseitigen - und 75 000 Schlaganfälle wären vermieden.

Dass die Zahl der Schlaganfälle als Folge einer Carotisstenose so hoch ist, immer noch steigt und zunehmend auch jüngere Personen ab dem 40. Lebensjahr betrifft, hat primär mit dem Lebensstil der Menschen zu tun. "Wir leben zu ungesund und bahnen damit dem Schlaganfall den Weg", sagt Prof. Dr. Eike Sebastian Debus, Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Visceralchirurgie an der Asklepios-Klinik Harburg. Mit dieser lapidaren Feststellung verweist er auf die Risikofaktoren, die die Häufigkeit der Schlaganfälle verursachen: Rauchen, ungünstige Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck und hohes LDL-Cholesterin.

Das Gehirn wird am stärksten - zu rund 85 Prozent - über die seitlich am Hals hochführenden Halsschlagadern mit Blut versorgt. Sie teilen sich noch einmal unterhalb der Ohren in die äußere und die innere Halsschlagader. Die geringere restliche Blutversorgung vollzieht sich entlang der Halswirbelsäule über zwei dort hochführende Arterien (Vertebralarterien). Prof. Debus berichtet, dass etwa die Hälfte der Patienten, die wegen einer Carotisstenose operiert werden, zuvor schon einen Schlaganfall oder Vorboten eines Schlaganfalls, sogenannte Tias (transitorische ischämische Attacken), überstanden haben. Die zweite Hälfte notwendiger Halsschlagader-Operationen wird bei diversen anderen Untersuchungen festgestellt.

Es gibt vier Schweregrade der Carotisstenose: Im Stadium I macht die Verengung noch keine Symptome, im Stadium II kommt es zu Tias oder schon zu einem leichten Schlaganfall ohne Bewegungseinschränkungen, das Stadium III umfasst den frischen, noch fortschreitenden Schlaganfall, im Stadium IV liegt der voll ausgebildete, schwere Schlaganfall mit erheblichen körperlichen und intellektuellen Ausfallerscheinungen vor. Mit einer speziellen Ultraschalluntersuchung, der Duplex-Sonografie, lässt sich der Schweregrad ermitteln.

Eine Operation ist unbedingt notwendig, wenn eine der Arterien - meistens ist es die innere, die Carotis interna - zu 70 Prozent und mehr verschlossen ist. Sind dagegen die Plaques noch deutlich geringer, kann zunächst noch mit Medikamenten behandelt werden, vornehmlich mit Präparaten, die Acetylsalicylsäure enthalten. Sie verdünnen das Blut, verbessern seine Fließeigenschaften und damit auch die Versorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff. "Operiert wird ohne Verzug, sobald die Plaques richtig giftig aussehen, und erst recht, wenn noch ein Blutgerinnsel dranhängt", erklärt Prof. Debus. Die Gefäßchirurgen haben heute drei Möglichkeiten, um eine Stenose zu beseitigen. Am häufigsten greifen sie zur klassischen operativen Methode, einer Ausschälplastik (Endarteriektomie), die heute als die Therapie der Wahl gilt. Am häufigsten muss die Carotis an der Gabelung in die innere und äußere Arterie eröffnet werden, in aller Regel mit einem etwa sechs Zentimeter großen Längsschnitt. Danach können die Plaques, bestehend aus Blutfetten, Thromben, Bindegewebe und Kalk, herausgeschält und die Öffnung mit einem sogenannten Patch, einem Flicken, verschlossen werden.

Eine zweite Methode ist die Eversionsendarteriektomie. Dabei trennt der Operateur an der Carotisgabelung die Carotis interna gänzlich ab, stülpt sie um wie einen Handschuh und kann so die Ablagerungen mit guter Übersicht entfernen. Diese Technik empfiehlt sich insbesondere bei kürzeren Stenosen. Damit während der Ausschälungen keine Partikel mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen und intraoperativ einen Schlaganfall auslösen können, wird im Harburger Zentrum nach Darstellung von Prof. Debus vorübergehend eine Umgehungsblutbahn (Shuntplatzierung) angelegt. Sie umgeht das Operationsgebiet und sichert für die Zeit des Eingriffs eine ungefährdete und unbehinderte Blutzufuhr zum Gehirn.

Die dritte Methode ist die mechanische Aufdehnung der Engstelle mit einem Ballon, der an der Spitze eines von der Leiste hochgeschobenen Katheters sitzt und die Plaques in die Gefäßwand drückt. Danach wird zur bleibenden Stabilisierung der Öffnung ein Stent, ein kleines Gittergerüst aus Metall, eingeschoben. Das Stentverfahren wird selten eingesetzt, meistens dann, wenn an dieser Stelle schon einmal die Carotis geöffnet worden war. Zum Schutz des Gehirns vor aufsteigenden Partikeln wird bei dieser Methode ein kleines Auffang-Schirmchen oberhalb des Operationsgebietes in das Blutgefäß gelegt. Prof. Debus zählt auf: "Wir machen in Harburg im Jahr etwa 180 Ausschälplastiken und 45 Stent-Implantationen, und in jedem Falle schließt sich eine Qualitätskontrolle an, wobei insbesondere die technische Qualität des Eingriffs geprüft wird." Der Patient kann bei den drei Methoden wählen zwischen einer Vollnarkose und einer örtlichen Betäubung.

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