Beim Abendblatt-Forum zu Rheuma und Arthrose beantworteten Experten die Fragen der Besucher, von denen viele selbst betroffen sind.

Hamburg. Eines war gleich klar: Es trifft nicht nur ältere Leute. "Mehr als die Hälfte aller Patienten sind unter 60 Jahre alt", sagt Prof. Jürgen Wollenhaupt von der Schön-Klinik in Eilbek. Die chronisch entzündliche Gelenkerkrankung könne in jedem Lebensalter auftreten. Wollenhaupt eröffnete das Abendblatt-Forum mit Fakten über das weite Feld der Rheumaerkrankungen. Mehr als 180 Leser waren am Dienstag in die Axel-Springer-Passage gekommen.

Eindrücklich schilderte die Patientin Christel Kalesse ihre Geschichte. Mit 15 Jahren bereits erkrankte sie an der Rheumatoiden Arthritis, mehr als 30 Operationen hat sie inzwischen hinter sich. Die 65-Jährige ist Vorsitzende der Deutschen Rheuma-Liga in Hamburg. Sie ermutigte die Patienten, sich frühzeitig therapieren zu lassen, damit es nicht zu Funktionseinschränkungen der Gelenke komme. Heute gebe es im Gegensatz zu damals geeignete Medikamente, "die uns wirklich helfen". Auf dem Podium des Abendblatt-Forums saßen auch Prof. Thorsten Gehrke, Ärztlicher Direktor der Endoklinik, sowie Dr. Ivan Foeldvari vom Hamburger Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie an der Schön-Klinik in Eilbek. Hier die wichtigsten Fragen der Leser und die Antworten der Experten:

Was ist eine Polymyalgie, und was kann man dagegen tun?

Wollenhaupt: Das ist eine entzündliche Form von Rheuma und betrifft die Muskulatur. Es fühlt sich an wie starker Muskelkaterschmerz im ganzen Körper. Ursache ist eine Entzündung der Blutgefäße, die die Muskeln daher nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgen können. Kortison hilft hier sehr schnell und muss über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Normalerweise ist die Erkrankung nach ein bis zwei Jahren weg.

Welche Operationsmöglichkeiten gibt es bei einer Arthrose des Sprunggelenks?

Gehrke: Entweder die Versteifung oder den Einsatz eines künstlichen Gelenks. Selbst mit einem versteiften Sprunggelenk kann man noch relativ gut laufen. Es gibt inzwischen gute Endoprothesen für Sprunggelenke, die Komplikationsrate bei diesen ist jedoch höher als beim Einsatz eines künstlichen Knie- oder Hüftgelenks.

Was bringen Spritzen mit Hyaluronsäure ins Gelenk?

Gehrke: Dies ist eine Behandlung gegen Arthrose, die die Patienten selbst zahlen müssen. Der Nutzen ist bei chronischen Verläufen und fortgeschrittener Arthrose nicht sicher erwiesen. Viele Patienten berichten von einer Linderung ihrer Beschwerden, allerdings häufig nur für einen kurzen Zeitraum.

Ich nehme schon jahrelang MTX wegen einer Rheumatoiden Arthritis - muss ich mit Spätfolgen rechnen?

Wollenhaupt: MTX oder Methotrexat ist ein Standardmedikament bei der Rheumatoiden Arthritis und wird seit den 60er-Jahren verwendet. Es bremst die Gelenkentzündungen langfristig sehr gut. Normalerweise müssen Sie keine Angst haben, dass Komplikationen durch das Mittel oder Spätschäden auftreten, auch Kinder bekommen es verschrieben.

Gibt es einen Bluttest, mit dem man herausfinden kann, ob ein Kind das Rheuma von Großmutter und Vater geerbt hat?

Foeldvari: Nein. Es gibt zwar Blutwerte, die Risikofaktoren für eine rheumatische Erkrankung darstellen. Das bedeutet aber nicht, dass man automatisch an Rheuma erkrankt.

Ich soll operiert werden, mein Immunsystem ist aber durch Kortison bei einer rheumatischen Erkrankung geschwächt.

Gehrke : In der Tat ist das ein Problem. Viele Rheumapatienten bekommen Kortison und müssen irgendwann einmal ein künstliches Gelenk bekommen, also operiert werden. Die Abwehr ist aber durch Kortison geschwächt, und eine schwere Komplikation wäre, wenn es zu einer bakteriellen Infektion am künstlichen Gelenk kommt.

Was tun bei starken Nebenwirkungen durch die Rheuma-Mittel?

Wollenhaupt: Es gibt zahlreiche Präparate für die Rheumabehandlung, oft wird eine Kombination verschrieben. Ein Rheumatologe sollte genau klären, ob es an einem speziellen Medikament liegt oder ob das Zusammenwirken verschiedener Präparate zu Nebenwirkungen führt. Wenn ja, kann ein Wechsel auf ein Präparat mit anderem Wirkmechanismus helfen.

Welche Rolle spielt die Ernährung bei rheumatischen Erkrankungen?

Wollenhaupt: Man kann zwar Rheuma mit Ernährung allein nicht behandeln, aber man kann das Ausmaß der Schmerzen beeinflussen. Zu empfehlen sind Fischöle, auch als Kapseln. Fleischkonsum gilt als Energielieferant für Entzündungen im Körper, das ist wie Öl ins Feuer werfen. Ratsam ist eine vegetarisch orientierte Ernährung.

Ich habe Osteoporose und soll eine künstliche Hüfte bekommen. Hält die überhaupt in dem brüchigen Knochen?

Gehrke: Bei Osteoporose-Patienten empfehlen wir in der Regel eine Endoprothese, die mit Zement verankert wird. Dann sind die OP-Ergebnisse so gut wie bei Menschen ohne Osteoporose. Normalerweise operieren wir Patienten bis 75 Jahre zementfrei, wenn der Knochen fest genug ist.

Was ist mit den neuen Biologika?

Wollenhaupt: Diese Antikörper werden bei schwer entzündlichem Gelenkrheuma eingesetzt. Sie sollten nur von Spezialisten verschrieben werden, nach sorgfältiger Prüfung, ob der Patient geeignet ist, denn es kann zu einer vermehrten Anfälligkeit für Infekte kommen.

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