Der KI-Präsident warnt vor weiteren Todesfällen durch das Darmbakterium, das blutigen Durchfall auslöst und sehr gefährlich ist.

Hamburg/Hannover/Berlin. Bislang gibt es beim aktuellen Ausbruch einen Todesfall in Deutschland, der nachweislich auf EHEC zurückzuführen ist. Bei zwei weiteren Todesopfern wird EHEC als Ursache vermutet. Doch das soll nicht das Ende der Fahnenstange sein: Nach dem Ausbruch des aggressiven Darmbakteriums EHEC rechnet das Robert Koch-Institut (RKI) mit weiteren Opfern. Bislang seien mehr als 80 sogenannte HUS-Fälle bekannt, sagte RKI-Präsident Reinhard Burger am Dienstag in Berlin. Bei diesem hämolytisch-urämischen Syndrom handelt es sich um die schwerste Komplikation der Infektion. „Wir müssen auch klar sagen, dass wir mit Todesfällen rechnen müssen“, sagte Burger. Die Infektionsquelle sei weiterhin nicht bekannt.

Normalerweise gebe es pro Jahr etwa 1000 EHEC-Fälle, daraus würden sich dann zwischen 50 und 60 HUS-Fälle entwickeln. Burger bezeichnete die Zahl 80 als „erschreckend viel“. Es sei auch nicht erkennbar, dass diese Entwicklung nachlasse. Die Bakteriengifte könnten zu bleibenden Nierenschäden führen.

Eine 83 Jahre alte Frau in Niedersachsen ist daran gestorben. Die genaue Ursache von zwei weiteren Todesfällen im Zusammenhang mit EHEC wird untersucht. Der Nachweis dieser Bakterien dauert nach Angaben von Burger ein bis zwei Tage. Er bezeichnete es als Spekulation, dass die Erreger über die Düngung von Gemüse mit Gülle in die Nahrungskette gelangt seien.

In Niedersachsen und Bremen gibt es rund 170 Verdachtsfälle. In Schleswig-Holstein sind es mehr als 200.

Das Gesundheitsministerium in Hannover teilte am Dienstag mit, die Seniorin sei seit Mitte Mai wegen eines blutigen Durchfalls stationär behandelt worden. Der Labornachweis habe eine EHEC-Infektion ergeben. Die 83-Jährige starb am vergangenen Samstag. Ermittlungen des Gesundheitsamtes Diepholz zu den näheren Todesumständen dauerten an.

„Man kann von den Symptomen meist nicht unterscheiden, ist es ein EHEC- oder ein Noro-Virus“, sagte der Leiter des Gesundheitsamtes Diepholz, Egbert Steffen. An eine EHEC-Welle in diesem Ausmaß kann sich Egbert nicht erinnern. In der Vergangenheit habe es meist nur Einzelfälle gegeben. Einmal seien mehrere Kinder nach einem Schulausflug erkrankt. „Da war der Auslöser aber bekannt.“

Die Patientin in Bremen habe Symptome der Infektion gehabt, allerdings sei der Erreger im Labor noch nicht nachgewiesen worden, teilte die Bremer Gesundheitsbehörde mit.

„Sie war eine gesunde, schlanke Frau. Das ist ein tragischer Verlauf“, sagte Werner Wunderle vom Gesundheitsamt Bremen. „Wir sind begrenzt vorbereitet.“ Es gebe nur eine bestimmte Zahl von Dialyseplätzen.

Zwei Drittel aller Erkrankten in Bremen sind nach seinen Angaben Frauen. Dies könne daran liegen, dass sich Frauen gesundheitsbewusster ernähren. „Ich wäre vorsichtig mit Rohkost oder Salat“, sagte Wunderle zu den mögliche Ursachen. „Wir müssen herausfinden, was das Ganze ausgelöst hat.“

Die Zahl der Verdachtsfälle in Niedersachsen ist am Dienstag nach Angaben des Ministeriums auf 96 gestiegen. Darunter seien zwölf Patienten, die mit schweren Komplikationen intensivmedizinisch behandelt werden. Im Land Bremen wurden bislang 73 Patienten in Krankenhäusern versorgt, 63 davon in Bremerhaven. In drei Fällen sei der Erreger nachgewiesen worden. Keiner der Fälle sei lebensbedrohlich.

„Es besteht auch weiterhin kein Grund zur Panik. Wichtig ist aber, dass sich Menschen, bei denen Anzeichen von blutigen Durchfällen auftreten, sofort in ärztliche Behandlung begeben. Maßnahmen der Lebensmittelhygiene sollten unbedingt eingehalten werden“, sagte der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums, Thomas Spieker. Über die Suche nach dem Auslöser sagte er: „Es steht in den Sternen, wann das gelingt, weil es sehr kompliziert ist, genau nachzuvollziehen, was Erkrankte in den letzten Wochen verzehrt haben.“

Seit vergangenem Freitag tritt eine außergewöhnliche Häufung von EHEC-Infektionen vor allem im Norden Deutschlands auf. Bislang wird vermutet, dass möglicherweise mit Gülle gedüngtes Gemüse die Ursache ist. Betroffen sollen überwiegend erwachsene Frauen sein.

In Hamburg sind auch Schüler erkrankt.

Am Gymnasium Hochrad ist ein Sechstklässler erkrankt, am benachbarten Gymnasium Othmarschen hat sich ein Zehntklässler infiziert, wie die Schulbehörde bestätigte. An beiden Schulen würden die Toiletten jetzt besonders intensiv desinfiziert. "Die einzige Schutzmöglichkeit ist, die Hygienemaßnahmen zu verschärfen", sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. "Pläne, jetzt ganze Klassen nach Hause zu schicken, gibt es aber nicht." Allein die Geschwister der erkrankten Kinder dürfen nicht am Unterricht teilnehmen. "Da gilt die gleiche Vorsicht wie bei Masern", sagt Schmidt. Übertragen würden die Bakterien wie bei "jeder Schmierinfektion". "Wer einen verseuchten Salat angefasst hat und danach jemandem die Hand gibt, kann den Erreger weitergeben."

Derweil läuft die Suche nach dem Auslöser der Infektionswelle auf Hochtouren. Nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die Infektionsquelle möglicherweise noch aktiv. Das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt untersucht Gemüse aller Art, sowohl im Einzel- als auch im Großhandel - bis jetzt allerdings ohne Erfolg. "Bisher haben wir noch keinen konkreten Verdacht", sagte der Lebensmittelchemiker Anselm Lehmacher. Die Angaben der Betroffenen lassen aber vermuten, dass die üblichen verdächtigen Infektionsquellen wie Rohmilch, Frischkäse und Rindfleisch als Erreger nicht infrage kommen. Die Patienten hätten nur wenig Fleisch gegessen. Gemüse als Ursache ist nach Auskunft Lehmachers aber "sehr ungewöhnlich".