Forscher haben drei Darmtypen ausgemacht, die verschiedene Stärken haben. Was darüber entscheidet, welcher Typ sich ausbildet, ist offen.

Hamburg. Im menschlichen Darm herrscht ein gewaltiges Gewusel: 100 Billionen unterschiedlichster Bakterien leben dort dicht gedrängt zusammen, schätzen Forscher. Wie genau sich diese mikrobiotische Wohngemeinschaft zusammensetzt, war bis vor Kurzem noch weitestgehend unklar, denn außerhalb des Darms gehen die Bakterien größtenteils zugrunde; es ist schwer, sie im Labor nachzuzüchten.

Forscher um Peer Bork vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg sind jetzt einen großen Schritt weitergekommen: Sie fanden heraus, dass sich die Darmflora der Menschen weltweit in drei Haupttypen unterscheiden lässt. "Man könnte auch von drei verschiedenen Ökosystemen sprechen", sagte Peer Bork. Über ihre Erkenntnisse berichten die Forscher im Magazin "Nature".

Sie hatten Stuhlproben von 278 Menschen aus verschiedenen Regionen der Erde mit der sogenannten Metagenomik untersucht. Dabei bestimmten sie in den Stuhlproben DNA-Fragmente und ordneten diese dann Darmorganismen zu. Die Ergebnisse erschienen zunächst diffus, offenbarten dann aber eine Systematik. Demnach dominiert in der Darmflora bei aller Vielfalt immer eine von drei Bakteriengruppen.

In der Darmflora vom ersten Typ sind es Mikroben der Gattung Bacteroides, die darauf spezialisiert sind, aus Zuckern und Eiweißen Energie zu gewinnen. Außerdem produzieren sie große Mengen der Vitamine Biotin (B7), Riboflavin (B2), Panthotensäure (B5) und C. Der zweite Typ Darmflora wird von der Prevotella-Fraktion dominiert, die Zucker-Protein-Komplexen in der Darmschleimhaut abbaut und sich auf die Synthese von Folsäure und Vitamin B1 versteht. Die in der dritten Gruppe dominierenden Ruminococcus-Bakterien verfügen über extrem viele Transportkanäle, sodass sie die bei der Proteinverdauung anfallenden Zuckermoleküle gut verwerten können. Jeder Darmflora-Typ verfügt also über "Spezialkenntnisse", die Folgen für den gesamten Organismus, etwa für seine Vitaminversorgung haben können.

Was darüber entscheidet, welcher Typ sich ausbildet, ist noch offen. Die Ernährung spielt wohl ebenso eine Rolle wie genetische Anlagen und frühkindliche Erfahrungen. So haben Kaiserschnittkinder keine besonders gute Darmflora. Ein mögliche Erklärung: Bei der natürlichen Geburt wandern Teile der Darmflora der Mutter auf das Neugeborene, während Kaiserschnittkinder ohne diese frühe Darmbesiedlung auskommen müssen. Ihr Darm wird zunächst vor allem von Hautbakterien bevölkert. Aber auch die Geografie spielt für die Darmflora eine Rolle. So verfügen japanische Darmbakterien im Unterschied zu europäischen und amerikanischen tatsächlich über ein sogenanntes Sushi-Gen, das ihnen die Verdauung von bestimmten Eiweißen der Fischröllchen ermöglicht.

In jedem Falle könnten die Kenntnisse über den jeweiligen Darmflora-Typus in der medizinischen Therapie und Diagnose eine wertvolle Hilfe sein. Beispielsweise dergestalt, dass man bei werdenden Müttern mit den Typen 1 oder 3 für eine zusätzliche Versorgung mit Folsäure sorgt, weil ihre Darmflora nicht genug Folsäure produziert. Folsäure hilft aber bei der Bildung des Embryos und schützt vor Fehlbildungen. Bei Übergewichtigen könnte eine Analyse zeigen, ob ihnen eine fettreduzierte Kost wirklich hilft. Denn wenn sich in ihrem Darm besonders viele zuckerspaltende Bakterien befinden, scheinen übergewichtige Menschen eher im Hinblick auf süße Speisen gute "Futterverwerter" zu sein - und dann würde ihnen eher eine kohlehydratarme Kost beim Abnehmen helfen. Bis eine solche Typenanalyse zu einem bezahlbaren Standard der ärztlichen Praxis wird, könnte es aber noch dauern.

Trotzdem bestätigt die Entdeckung der drei "Enterotypen" Erkenntnisse, wonach der Darm für die Gesundheit eine zentrale Rolle spielt. Früher dachte man, dass es sich bei der Darmbesiedlung um eine einfache Symbiose handelt: Der Mensch bietet den Mikroben Kost und Logis, diese unterstützen dafür seine Verdauung. Doch heute ist klar, dass sie ihrem Herbergsvater weit mehr zurückzahlen. So arbeiten Darmbakterien als Ausbilder des Immunsystems; durch sie lernt es, Eindringlinge zu erkennen und abzuwehren. Egal, ob Allergien, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen, sie alle zeigen oft Zusammenhänge mit einem gestörten Darmmilieu.

Deshalb macht es Sinn, seine Darmflora zu pflegen, indem man ausreichend Ballaststoffe verzehrt, denn die braucht das Darmbiotop zum Überleben. Joghurt und andere fermentierte Milchprodukte können für einen Anstieg immunkompetenter Milchsäurebakterien sorgen. Viel Fleisch wirkt sich hingegen negativ aus. Und auch Stress kann die Darmbalance stören.