Bei Patienten mit schwerer Herzschwäche setzen Spezialisten jetzt die Bauchfelldialyse ein, die bisher vor allem bei Nierenkranken angewandt wurde

Hamburg. Die Herzschwäche ist die häufigste Diagnose in deutschen Krankenhäusern und fordert mehr Menschenleben als viele Krebsarten. Die einzige Therapiemöglichkeit, die bleibt, ist häufig nur noch eine Herztransplantation. "Wir haben in Deutschland eine lange Warteliste, aber nur wenige verfügbare Spenderherzen", sagt Prof. Björn Andrew Remppis, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Herz- und Gefäßzentrum (HGZ) Bad Bevensen. Um diesen schwer kranken Patienten zu helfen, setzt der Herzspezialist schon seit einiger Zeit eine Methode ein, die zwar schon lange bekannt ist, aber bisher hauptsächlich bei der Nierenschwäche angewandt wurde: die Bauchfelldialyse.

Im Körper der Patienten sammelt sich Flüssigkeit an

"Mit dieser Methode konnten wir bei Patienten an der Universität Heidelberg eine dramatische Absenkung der Krankenhausaufenthaltstage um bis zu 75 Prozent erreichen", sagt Remppis, der in der dortigen Uniklinik gearbeitet hat, bevor er vor eineinhalb Jahren an die Klinik in Bad Bevensen wechselte. Im Durchschnitt dauert ein Aufenthalt 12 bis 14 Tage, und die Patienten werden drei- bis viermal pro Jahr stationär aufgenommen.

Besonders leiden diese Patienten darunter, dass sich in ihrem Körper Flüssigkeit ansammelt. Die Pumpleistung des Herzens reicht nicht mehr aus und auch die Nieren funktionieren nicht mehr richtig, sodass sich überall im Gewebe und in den Lungen Flüssigkeit staut, in der Bauchhöhle und im Brustkorb kommt es zu Flüssigkeitsansammlungen, der Patient bekommt Atemnot.

Mit der Bauchfelldialyse können Remppis und seine Kollegen diesen Patienten Erleichterung verschaffen. Dabei wird ein kleiner Katheter in die Bauchhöhle eingepflanzt, dessen Ende an der Bauchdecke außen endet. An diesen Katheter wird eine Spülflüssigkeit angeschlossen. Man lässt zwei bis drei Liter in die Bauchhöhle einlaufen, dort das Bauchfell als Dialysemembran wirken und die Flüssigkeit nach einigen Stunden wieder ablaufen Auf diese Weise wird der Körper gleichmäßig entgiftet und entwässert. "Die Bauchfelldialyse können Patienten zu Hause selbst durchführen. Wenn sie gut trainiert sind, brauchen sie nur alle sechs Wochen zur Kontrolle zu ihrem Nephrologen gehen", sagt Remppis.

Die Bauchfelldialyse ist schonender als die klassische Dialyse

Er sieht in diesem Verfahren mehrere Vorteile gegenüber der klassischen Dialyse, die als Alternative infrage käme. "Die Bauchfelldialyse ist sehr schonend. Weil sie täglich eingesetzt wird, wird das Gewicht ganz langsam gesenkt. Die klassische Methode, bei der die Patienten zwei- bis dreimal die Woche zur Dialyse gehen, in der Zwischenzeit mit Wasser volllaufen, das dann schnell über drei bis vier Stunden wieder komplett abgepumpt wird, ist ein großer Stress für den Körper und schlecht für das Herz, das sowieso schon sehr krank ist", sagt der Kardiologe.

Der zweite Vorteil: Die Lunge wird nicht so stark belastet. "Bei der klassischen Hämodialyse wird ein Kurzschluss zwischen Arterie und Vene angelegt, an den das Dialysegerät angeschlossen wird. Durch diesen sogenannten Shunt erhöht sich aber der Blutdurchfluss in der Lunge und das führt zu erhöhtem Lungendruck. Die Patienten, die aufgrund der Herzschwäche sowieso schon einen erhöhten Lungendruck haben, leiden dann vermehrt unter Luftnot", sagt Remppis.

Die Methode habe auch Vorteile gegenüber einer medikamentösen Therapie: Denn damit könnten auch Wasseransammlungen im Bauch gut entfernt werden, bei denen Mittel zur Entwässerung nicht helfen. "Das ist wichtig, weil ein Darm, in dem sich Flüssigkeit staut, nicht gut entgiften und schlecht Nährstoffe und Medikamente aufnehmen kann, sodass der Patient ständig instabil ist. Ein Patient mit einem gestauten Darm setzt Giftstoffe in den Kreislauf frei, und diese Giftstoffe verschlechtern die Nierenfunktion und die Herzschwäche", so der Kardiologe.

Trotzdem ist die Bauchfelldialyse umstritten. "Viele Nierenspezialisten und Kardiologen meinen, bei einer Herzschwäche sei die Dialyse nicht angezeigt. Aber unsere Erfahrungen zeigen das Gegenteil. Die Vorteile der Bauchfelldialyse zur Behandlung der schweren Herzschwäche dokumentieren wir jetzt in einem deutschlandweiten Register zusammen mit dem Bauchfelldialyse-Experten Prof. Vedat Schwenger von der Universität Heidelberg", sagt Remppis. Zudem werde darüber diskutiert, ab welcher Einschränkung der Nierenleistung die Dialyse eingesetzt wird. Diese müsse bei der Herzschwäche weitaus früher einsetzen als bei der Nierenschwäche.

Aber auch die Bauchfelldialyse ist nicht für jeden geeignet. Der Patient muss in der Lage sein, die Dialyse zu Hause allein durchzuführen oder eine Familie haben, die ihm dabei hilft sowie einen Nephrologen (Nierenarzt) in der Nähe, der bereit ist, die Betreuung zu übernehmen. Wenn jemand schwere Bauchfellverwachsungen infolge von Operationen oder schon mehrere Bauchoperationen hinter sich hat, muss untersucht werden, ob eine Bauchfelldialyse noch möglich ist. Auch sollte die Niere eine gewisse Restfunktion haben.

Manche der schwer kranken Patienten können jetzt wieder Fahrrad fahren

Seit März 2009 hat Remppis im HGZ bei 20 Patienten eine Bauchfelldialyse wegen einer Herzschwäche durchgeführt. "Darunter waren auch einige Patienten, denen es vorher so schlecht ging, dass sie nicht entlassen werden konnten und die jetzt zu Hause wieder Fahrrad fahren."