Neue Serie, Teil 1: Viele Kinder wie Hanna wissen lange nicht, woher ihre Beschwerden kommen. Die Ursachen sind zu vielfältig

Das neue Jahr hat bei Familie Sanders mit dem Umstellen der Küche begonnen: Alles, was blau gekennzeichnet ist, darf Hanna essen. Und um alles, was einen grünen Aufkleber hat, muss die Achtjährige einen Bogen machen: Diese Nahrungsmittel enthalten Gluten, und davon bekommt Hanna Bauchschmerzen. Kurz vorm Jahreswechsel hat die Familie die Diagnose für Hannas zwei Jahre andauernde Beschwerden bekommen, nach einer Magen- und Dünndarmspiegelung und Bluttests: Sie hat Zöliakie. "Das ist keine Krankheit, das ist eine Unverträglichkeit gegen Gluten", sagt Hanna, die im Bilde ist.

Wenn sie keine Bauchschmerzen mehr haben will, muss sie ihr ganzes Leben lang Lebensmittel mit Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste, Roggen meiden. "Wir müssen uns da erst einmal hineinfuchsen", sagt Hannas Mutter Katrin Sanders. Auch in Pflegemitteln oder Medikamenten kann Gluten enthalten sein. Einen Wegweiser durch das Dickicht gibt die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft.

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Hanna hat Glück: Schon nach zwei Wochen hat sie kein Bauchweh mehr. "Schon eine stecknadelkopfgroße Menge Gluten reicht aus, damit die Beschwerden wieder da sind", sagt Hannas Ärztin Dr. Daniela Nolkemper vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Dünndarmschleimhaut der Patienten ist durch die Unverträglichkeit geschädigt. Nach sechs Wochen ohne Gluten sei die Schleimhaut meistens wieder hergestellt.

Es sei nicht untypisch, dass die Zöliakie erst nach vielen Monaten festgestellt wird, sagt Nolkemper, zumal bei Hanna Symptome wie Durchfall oder Gewichtsverlust fehlten. Bei chronischen Bauchschmerzen, die mehr als acht Wochen andauern, liegen in der Mehrheit der Fälle psychosoziale Ursachen vor (siehe Interview "Kinder drücken Belastungen oft körperlich aus" ).

Zu den selteneren körperlichen Ursachen zählen die entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Laut Nolkemper gibt es in Hamburg rund 300 Kinder mit diesen Krankheiten. "Hinter chronischen Bauchschmerzen können auch Unverträglichkeiten gegen Laktose, also Milchzucker, oder Fruchtzucker stecken", sagt Nolkemper. Würden die Beschwerden durch Weglassen von bestimmten Lebensmitteln besser, so könne dies ein Hinweis sein. Schmerzen im Oberbauch können von Magenschleimhautentzündungen oder Geschwüren an Magen- und Zwölffingerdarm herrühren.

Doch auch Probleme an anderen Organen können Bauchweh machen. Dazu gehören Harnwegsinfektionen und Nierensteine sowie Gallensteine (häufig bei übergewichtigen Kindern), bei Kleinkindern auch Lungenentzündungen, die den unteren Teil der Lunge betreffen. Selten ist eine Bauchspeicheldrüsenentzündung mit Schmerzen im Oberbauch und am Rücken.

Je jünger ein Kind ist, desto schwieriger ist es, den Ursprungsort der Schmerzen herauszufinden - Kleinkinder sagen häufig, sie hätten Bauchweh, auch wenn sie an den Ohren Schmerzen haben. Auf der Suche nach der Ursache hilft das Abtasten des Bauches. Auf dem Programm kann auch eine Ultraschalluntersuchung stehen. Sollte eine Spiegelung des Verdauungssystems nötig sein, so werden die Kinder oft kurz in Vollnarkose versetzt. Labortests von Stuhl- oder Blutproben geben Hinweise auf Entzündungen und Infektionen.

Vor allem akute Bauchschmerzen führen Kinder in die Ambulanzen der Kinderkliniken. "Säuglinge oder Kleinkinder ziehen dann häufig die Beine an vor Schmerzen, lassen sich nicht beruhigen oder ablenken, die Eltern sind sehr besorgt", sagt Kinderchirurg Prof. Konrad Reinshagen (Altonaer Kinderkrankenhaus und UKE).

Der Klassiker unter den akuten Bauchschmerzen ist die Blinddarmentzündung. "Selten kommt sie bei Kindern vor, die noch nicht sprechen können, sie ist aber die häufigste Ursache für einen bauchchirurgischen Eingriff bei Kindern und Jugendlichen", sagt Reinshagen. Charakteristisch sind der Schmerz im rechten Unterbauch, eine angespannte, harte Bauchdecke und sehr starke Schmerzen. Sie könne sich allerdings langsam anbahnen und auch verschleppt werden, sodass das kleine Stück Darm namens Wurmfortsatz drohe "durchzubrechen", eine gefährliche Infektion des Bauchfells könne die Folge sein. Werde frühzeitig operiert, könnten die Kinder oft bereits nach drei bis vier Tagen wieder nach Hause, bei Komplikationen seien bis zu zehn Tage in der Klinik nötig. Etwa 800 Operationen im Bauchraum werden jährlich in der Kinderklinik durchgeführt.

Bei Säuglingen und Kleinkindern kann bei sehr starken Schmerzen eine Einstülpung des Darmes dahinterstecken, etwa 25 bis 30 Fälle pro Jahr gibt es in Reinshagens Abteilung. Ein Ultraschall gibt Aufschluss darüber, ob solch eine Invagination vorliegt. "Innerhalb der ersten 24 Stunden ist dann in der Regel ein Einlauf möglich, und der Darm zieht sich wieder in die Länge. Sind aber schon Warnzeichen wie Blut im Stuhl aufgetreten, ist die Schleimhaut schon geschädigt, muss operiert werden." Eine Invagination sei auf den ersten Blick nicht immer von einer Gastroenteritis zu unterscheiden, die sich vor dem Auftreten von Durchfall, Erbrechen oder Fieber bereits mit Schmerzen bemerkbar machen könne. Es gebe bei einer Darmeinstülpung auch schmerzfreie Phasen, in denen die Kinder normal spielten. Eine harmlose, aber durchaus schmerzhafte Ursache für Bauchweh nennen die Experten noch: die Verstopfung. "Wenn Kinder eine Woche nicht richtig auf Toilette waren und der Darm das Verdaute dann loswerden will und sich zusammenkrampft, können Kinder starke Schmerzen haben", sagt Nolkemper.

Bei Hanna ist die Zeit der Bauchschmerzen vorbei, sie weiß, dass sie Gluten meiden muss, auch wenn das nicht immer einfach ist. Zum Glück sind nicht alle Leckereien verboten, sagt ihre Mutter: "Manche Schokoladen, Gummibärchen und bestimmte Mais-Cornflakes sind zum Glück in Ordnung."

Alle Folgen der neuen Serie

28.1. Bauchschmerzen

30.1. Neurodermitis

31.1. Infektionen

1.2. Diabetes

2.2. Asthma und Allergien

3.2. Erkältungen

4.2. Sport und geistige Entwicklung

6.2. Spielen und seine Bedeutung

7.2. Kopfschmerzen

8.2. Ernährung

9.2. Augenkrankheiten

10.2. Unfälle

11.2. Gesundheitsgipfel