Ein frühes Zeichen der Sklerodermie kann ein Raynaud-Syndrom sein, bei dem Finger und Zehen bei Stress und Kälte weiß werden. Ein Hamburger Experte rät, sich bei diesen Symptomen ärztlich untersuchen zu lassen.

Hamburg. Anni Jenett ist 79 Jahre alt. Doch trotz ihres hohen Alters zeigt ihr Gesicht kaum Falten. Der Grund: Die alte Dame leidet an einer seltenen rheumatischen Erkrankung, bei der sich die Haut immer mehr verdickt und verhärtet, bis sie schließlich den Körper wie ein Panzer umhüllt. Doch lange hat es gedauert, bis diese Krankheit bei ihr festgestellt wurde. Angefangen hatte es vor sieben Jahren damit, dass sie das Gefühl hatte, ihre Strümpfe würden an den Beinen drücken. Dann folgte eine Odyssee von einem Facharzt zum nächsten, ohne dass einer die Ursache für ihre Symptome fand. Als die Krankheit endlich erkannt wurde, war auch bereits ihre Lunge betroffen.

"Die Krankheit heißt Sklerodermie. Typisches Zeichen ist die Zunahme des Bindegewebes, nicht nur in der Haut. Sie kann auch an allen inneren Organen auftreten und deren Funktion behindern. An den Gelenken, besonders an den Fingern, führt sie zu Bewegungseinschränkungen, sodass die Betroffenen ohne eine adäquate Behandlung nach einigen Jahren ihre Finger nicht mehr bewegen können", sagt Dr. Keihan Ahmadi-Simab, Chefarzt der Abteilung für Rheumatologie, die erst kürzlich in der Asklepios-Klinik Altona eröffnet wurde.

Der Facharzt hat sich auf die Behandlung der Sklerodermie spezialisiert. So ähnlich wie seiner Patientin Anni Jenett ergeht es den meisten, die daran leiden: Die Krankheit wird häufig erst erkannt, wenn bereits innere Organe davon befallen sind. "Das liegt daran, dass die ersten Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit sehr unspezifisch sind", sagt der Rheumatologe. Allerdings gibt es auch ein Phänomen, das allgemein als harmlos gilt, aber hinter dem sich auch eine Sklerodermie verbergen kann. Die Rede ist von dem sogenannten Raynaud-Syndrom. Typisch dafür ist, dass die Blutgefäße in den Fingern und Zehen sich bei Kälte oder Stress zusammenziehen. Dadurch werden die Finger zunächst weiß und verfärben sich anschließend durch das wieder einschießende Blut tiefblau und rot. Am häufigsten davon betroffen sind junge Frauen. "In einem Teil der Fälle ist das Raynaud-Syndrom harmlos, aber in 80 Prozent steckt dahinter eine ernstere Erkrankung, am häufigsten die Sklerodermie. Deswegen sollten sich Menschen, die ein Raynaud-Syndrom haben, immer bei einem Rheumatologen untersuchen lassen", empfiehlt Ahmadi-Simab.

Besteht ein Verdacht auf eine Sklerodermie mit einem Raynaud-Syndrom, lässt sich das mit einfachen Untersuchungen abklären: "Mit der Kapillarmikroskopie können wir typische Veränderungen im Nagelbett nachweisen und mit der Sonografie Veränderungen in den Wänden der Blutgefäße. Weitere Anhaltspunkte liefern spezielle Blutuntersuchungen", sagt der Rheumatologe.

Obwohl die Sklerodermie nicht heilbar ist, kann eine frühzeitige Therapie den Verlauf dieser Autoimmunerkrankung abbremsen und die krankhafte Zunahme von Bindegewebe in den Organen verzögern. "In den vergangenen fünf Jahren haben wir in der Behandlung große Fortschritte erzielt. Auch wenn wir nach wie vor die Ursache nicht erkennen, haben wir jetzt Medikamente zur Verfügung, die den Krankheitsprozess positiv beeinflussen können", sagt Ahmadi-Simab.

So weiß man jetzt, dass der Botenstoff Endothelin eine Schlüsselrolle bei dieser Erkrankung spielt. "Das ist ein Botenstoff im Körper, der in der inneren Auskleidung der Blutgefäße und in der Haut vorkommt. In der Regel gibt es zwei Rezeptoren für Endothelin, die miteinander im Gleichgewicht stehen. Aus welchem Grund auch immer kommt es bei der Sklerodermie zu einer Entgleisung des Endothelin-Systems, sodass ein Überschuss dieses Botenstoffs entsteht. Das führt zur Entzündung, Verdickung und Verengung der Blutgefäße. Und diese Verengung der Blutgefäße ist es, die letztendlich zum Tode führt", sagt Ahmadi-Simab.

Besonders bedrohlich wird es dann, wenn die Lungenarterie verengt ist und sich dadurch ein Lungenhochdruck entwickelt. Er führt dazu, dass die Lunge immer schlechter durchblutet wird und weniger Sauerstoff aufgenommen werden kann. Zudem wird durch den erhöhten Druck in der Arterie die rechte Herzkammer immer stärker überlastet, sodass es schließlich zum Herzversagen kommen kann.

Jetzt gibt es Medikamente, die dem Endothelin-Überschuss entgegenwirken. Sie sind zugelassen für die Fälle, bei denen bereits schwerwiegende Komplikationen, wie zum Beispiel ein Lungenhochdruck, aufgetreten sind, und können die Erkrankung deutlich verzögern.

In Frühstadien können auch schon Infusionen mit Prostaglandinen gegeben werden. Sie erweitern die Blutgefäße und können auch die Verdickung der Haut verzögern. Patienten, die ständig diese Infusionen erhalten, bekommen selten Veränderungen an den inneren Organen.

Die dritte Möglichkeit, um die Blutgefäße zu erweitern, ist das Sildenafil, das unter dem Namen Viagra zur Behandlung von Erektionsstörungen bekannt geworden ist und jetzt auch für die Behandlung von Komplikationen bei der Sklerodermie zugelassen ist. "Dank der neuen Medikamente ist der Anteil der Patienten, die infolge der Sklerodermie an einem Lungenhochdruck leiden und nach fünf Jahren noch leben, von 30 auf fast 80 Prozent gestiegen", sagt Keihan Ahmadi-Simab.

Und weitere Therapiemöglichkeiten befinden sich in der Entwicklung: So haben Studien gezeigt, dass der Wirkstoff Imatinib, der auch zur Behandlung von Krebserkrankungen verwendet wird, im Frühstadium der Erkrankung erfolgreich eingesetzt werden kann. Erste positive Ergebnisse zeigte auch die Stammzelltransplantation.

Anni Jenett ist jedenfalls mit der Behandlung in der Asklepios-Klinik Altona zufrieden. Dank der Medikamente, die sie hier bekommt, kann sie jetzt ihre Finger wieder voll bewegen, die in den Wochen vor dem Klinikaufenthalt immer steifer und unbeweglicher wurden. Ihre Lungenfibrose allerdings können auch die Medikamente nicht mehr beseitigen. Irgendwann wird sie so fortgeschritten sein, dass Frau Jenett zusätzlich eine Sauerstofftherapie braucht. Doch im Moment ist sie noch sehr mobil: "Ich laufe immer noch die Treppen, das muss auch so gehen."