Ärzte wagen mehr riskante Eingriffe vor allem bei älteren Patienten. Eine Checkliste soll die Sicherheit bei Operationen erhöhen

Hamburg. Fast jeder, der schon mal operiert werden musste, kennt dieses Gefühl: die Beklemmung kurz vor dem Eingriff, diese vage Furcht, es könnte etwas schiefgehen und man selbst nicht mehr aufwachen. Tatsächlich hat die Zahl der anästhesiebedingten Todesfälle im vergangenen Jahrzehnt zugenommen.

Der Anstieg sei aber dadurch bedingt, dass immer mehr ältere Menschen mit schweren Begleiterkrankungen operiert werden, die früher als nicht operabel galten, sagte Prof. Hugo van Aken gestern im Vorfeld des Deutschen Anästhesiekongresses, der morgen im CCH beginnt. Andere Eingriffe waren "früher undenkbar und können erst heute dank der Erweiterung des medizinischen Leistungsspektrums durchgeführt werden".

Der Direktor der Anästhesie am Uniklinikum Münster betonte, das Risiko, während der Narkose zu sterben, sei immer noch sehr gering. Bei Operationen liege es für ansonsten gesunde Menschen bei eins zu 250 000. Bei älteren Patienten mit schweren Begleiterkrankungen steige es allerdings auf eins zu 25 000. Mit der Qualität der Narkose selbst habe dies nichts zu tun, versicherte der Anästhesist.

Pro Jahr werden in Deutschland etwa 9,5 Millionen Menschen operiert. Um die Zahl der narkosebedingten Komplikationen und Todesfälle weiter zu senken, haben die Anästhesisten zusätzliche Sicherheitssysteme eingerichtet. Sie setzen damit die "Helsinki-Erklärung zur Patientensicherheit in der Anästhesiologie" um, die im vergangenen Jahr von europäischen Fachgesellschaften in der finnischen Hauptstadt unterzeichnet wurde.

Die deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie hat nach eigenen Angaben als erste nationale Fachgesellschaft alle Punkte der Helsinki-Erklärung umgesetzt. Darin werden unter anderem regelmäßige Überprüfung von Geräten und Medikamenten verlangt und Vorgehensweisen für den Umgang mit den Atemwegen des Patienten vorgegeben. Die Versorgung nach einer Operation und die Schmerzbehandlung sind verpflichtend zu protokollieren.

Zu den Maßnahmen gehört auch die Verwendung von Sicherheitschecklisten bei Operationen. Bestimmte Kriterien müssen zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten überprüft werden: wenn der Patient in den OP gefahren wird, wenn der Chirurg dazu kommt und wenn der Eingriff beendet ist. Dabei wird zum Beispiel geprüft, ob auch das richtige Bein für die Operation vorbereitet wird. "In Deutschland sind Checklisten noch freiwillig, in den Niederlanden und Großbritannien sind sie bereits gesetzlich vorgeschrieben", sagt van Aken. Studien belegen die Erfolge So hätte eine Untersuchung von 2008 gezeigt, dass durch die Einführung der Checkliste die Sterberate während eines komplizierten Eingriffs von 1,5 auf 0,8 Prozent gesunken sei. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass durch Anwendung der Checklisten die Zahl der Komplikationen um zehn Prozent gesunken ist.

Ein weiteres Thema des Kongresses war neben Schmerztherapie und Intensivmedizin auch die Notfallmedizin. Hier hat sich herausgestellt, dass Patienten einen Herzstillstand mit Wiederbelebung besser überstehen, wenn ihr Körper für 24 bis 36 Stunden gekühlt wird, etwa durch Kühlmatten oder kalte Infusionen. Am besten sind die Ergebnisse, wenn die Patienten zusätzlich mit einem Herzkatheter behandelt werden, über den - wie beim Herzinfarkt - Herzkranzgefäße wieder durchgängig gemacht werden. "Denn wir gehen davon aus, dass 70 Prozent all diese Herzstillstände durch eine Störung des Herzens verursacht werden", sagte Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Ärztlicher Leiter der Notfallmedizin an der Universitätsklinik Schleswig-Holstein, Campus Kiel.