Allergiker sehen seit Tagen Grün - auf Autodächern, Park- und Fensterbänken. Baumpollen fliegen in Massen, Gräser folgen auf dem Fuß

Hamburg. Alle waren sie gekommen, zur festlichen Oster-Kaffeetafel im Garten. Aber, wie das manchmal so mit Besuch ist, waren weitaus nicht alle erwünscht: Die Birkenpollen, flächendeckend anwesend auf Tischen, Bänken und in der Luft, hätte ein Drittel der Hamburger gerne ausgeladen. So viele Menschen leiden mittlerweile bundesweit an Allergien, und die Birkenpollen sind dabei "das Aggressivste, das wir derzeit haben", wie HNO-Arzt Dr. Stefan Tesche sagt. Ostern war deshalb in diesem Jahr auch ein Fest des Niesens.

Nachdem Erle und Haselnuss, die bereits seit Februar ihre Pollen abgegeben hatten, die Produktion langsam einstellen, drehen Birke, Eiche und Nadelbäume gerade richtig auf. "Man sieht aus den Nadelbäumen richtige Pollenschwaden wehen", sagt Dr. Carsten Schirarend, wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens der Universität Hamburg. Bedingt durch das nahezu sommerliche Wetter, das recht spontan eingesetzt hatte, würden jetzt viele Pflanzen, die sonst im jahreszeitlichen Verlauf nacheinander ihre Pollen abgeben würden, parallel ausschütten. "Dabei nehmen sich Koniferen und Birken in der Menge nichts - aber auf Kiefern oder Fichten reagiert fast niemand allergisch. Das muss daran liegen, dass auf der Oberfläche von deren Pollen nicht so viele Eiweißstoffe sitzen", vermutet Schirarend.

Pollen oder Blütenstaub, eine auf den ersten Blick mehlartige, gelblich-grüne Masse, wird von Samenpflanzen gebildet. Pollen ist hierbei ein Sammelbegriff für die Pollenkörner, die die männlichen Erbanlagen der Pflanzen zu den weiblichen Empfangsorganen, den sogenannten Blütennarben, bringen sollen. Wer dabei, wie die Birke oder die Gräser, auf Windbestäubung setzt, muss Unmengen an Pollen produzieren, erklärt Schirarend: "Denn das ist eine sehr unsichere Verbreitungsform, bei der die meisten Pollenkörner ihr Ziel verfehlen."

So landen sie dann auch in der menschlichen Nase. "Heuschnupfen manifestiert sich über die Nase, aber die Gefahr eines sogenannten Etagenwechsels auf die tieferen Atemwege besteht", sagt Dr. Stefan Tesche von der HNO-Praxis an der Oper in der Hamburger Neustadt. Gemeint damit ist die Entwicklung eines allergischen Asthmas, das zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führen könne. Tesche: "Eine Behandlung des Heuschnupfens ist deshalb äußerst wichtig."

Zurzeit kämen zwei bis drei Patienten täglich in die Praxis, die als "Notfall" mit schweren Heuschnupfensymptomen wie Fließschnupfen, geröteten und tränenden Augen und Niesen (allergische Rhinitis) behandelt werden müssten. Diese allergischen Reaktionen sind Überreaktionen des Immunsystems auf Stoffe, die eigentlich harmlos sind, sagt Tesche. "Wenn die Pollenkörner eine bestimmte Größe haben und nicht zu groß sind, setzen sie nach dem Kontakt mit der Schleimhaut unter anderem Proteine und Lipide frei. Hierauf reagiert unser Körper mit einer regelrechten Immunkaskade."

Ab morgen können Allergiker aufatmen, dann kann Regen fallen

Noch dominieren im Moment die Baumpollen, vornehmlich jene von Birke und Eiche. Dabei nimmt der Flug von Birkenpollen tendenziell jetzt täglich weiter ab, und die Gräserpollen gehen in die Startlöcher. Im Südwesten Deutschlands fliegen erste von ihnen bereits, für Hamburg rechnet Schirarend ab Mitte Mai mit ihnen. Er bedauert, dass die filigranen Pollenkörner, die so vielgestaltig sein können, bei Menschen alles andere als auf fruchtbarem Boden treffen. So schwärmt er zum Beispiel von den Pollenkörnern der Koniferen, "an denen Luftsäcke sitzen, damit sie noch besser fliegen können".

Allergiker, die sich dafür nicht Erwärmen können, können sich zusätzlich zu einer medikamentösen Behandlung mit einigen Hausmitteln das Leben in der pollenschweren Zeit erleichtern: "Die Kleidung, die man tagsüber anhatte, sollte man nicht mit ins Schlafzimmer nehmen, das Lüften sollte nur stoßweise erfolgen, und auch das Auswaschen der Haare vor dem Schlafengehen kann helfen", sagt Tesche.

Und auch wenn es alle anderen vielleicht nicht gerne hören wollen, könnten ab morgen auch Schauer und Gewitter Allergikern ein kurzes Durchatmen bescheren. "Die Bewölkung und die Regenwahrscheinlichkeit in Hamburg nimmt zu und die Temperaturen sinken auf 18 bis 20 Grad", sagt Hans-Joachim Möller, Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes in Hamburg. So könnte der Pollenflug ein wenig aus der Luft gewaschen werden.