Berlin (dpa/tmn). Was haben Chicorée, Endivien, Radicchio und Zuckerhut gemeinsam? Sie alle sind Kulturformen der Gemeinen Wegwarte - einer Wildblume, die im Sommer Wegesränder und Beete mit ihren blauen Blüten ziert.

Haben Sie sich mal näher mit der Pflanze mit den hübschen blauen Blüten an Wegesrändern beschäftigt? Die Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus) ist eine schöne Alternative fürs Gartenbeet, den Heilgarten und sogar für die Küche.

«Keine Blume hat ein so wunderschönes Blau», findet Wildpflanzenexpertin Coco Burckhardt. Die Wegwarte ist ein äußerst zähes Gewächs, und sie ist nicht anspruchsvoll. «Das macht sie konkurrenzstark für Orte, an denen andere Pflanzen nicht wachsen können», so Burckhardt.

Magerer, trockener Boden macht ihr ebenso wenig aus wie verdichteter Untergrund, weshalb sie oft an Straßen- und Wegesrändern steht. «Gibt man ihr allerdings bessere Bedingungen, wird sie noch prächtiger», ergänzt die Expertin. Daher lohnt es sich, die Pflanze auch bewusst in den Garten zu holen. Je nach Region wird die wärmeliebende Wildpflanze von März bis August ausgesät, zum Vorziehen in einen Topf oder gleich an einem vollsonnigen Standort.

Im ersten Jahr entwickelt die Pflanze nur eine bodenebene Blattrosette. Die in der Regel hellblau-violetten, selten weißen Blüten zeigen sich erst im zweiten Sommer an bis zu 1,20 Meter langen Stängeln – und das meist nur am Vormittag. «Die Wegwarte blüht sehr lange, doch jede Blüte nur für einen Tag. Bei schönem Wetter schließen sich am Mittag die Blüten und verwelken», sagt Burckhardt.

Zierblume, Heilpflanze und Gemüse

Die Wegwarte kann vieles sein - und hat daher auch schon viele Titel erhalten: Sie ist die Blume des Jahres 2009, die Heilpflanze des Jahres 2020 sowie das Gemüse des Jahres 2005. «Die kandierten Stängel sollen eine wahre Delikatesse sein», berichtet Burckhardt. «Die Wurzeln dienen als Kaffee-Ersatz, besser auch bekannt als Muckefuck.»

Auch die Blätter gelten als essbar. Da sie von der Wildform aber sehr bitter schmecken, kommen die Blätter in der Regel aber von kultivierten Formen auf den Teller: von Endivien oder Zichorien wie Chicorée, Radicchio und Zuckerhut.

Die Verwandtschaft überrascht, haben die Blattgemüse doch auf den ersten Blick optisch wenig gemein. Radicchio erinnert Elke Kuper von der Niedersächsischen Gartenakademie an einen dunkelroten Salatkopf, Zuckerhut an Spitzkohl. «Er bildet richtig feste Köpfe, die auch mal zwei Kilo wiegen können», so die Beraterin für den Freizeitgartenbau. Bei Chicorée wiederum wird der bleiche, knospenartige Austrieb der Wurzelzichorie geerntet.

Aber: Bilden die Pflanzen ihre blauen Blüten aus, legen sich die Verwandtschaftsverhältnisse offen.

Unzählig viele Zichorien-Varianten

Die Welt der Wegwarten ist so vielseitig, dass selbst Wolfgang Palme sich nicht darauf festlegen möchte, wie viele Sorten es gibt. Der Experte für Wintergemüse von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn baute 2012 für eine Forschungsarbeit allein 66 verschiedene Endivien und Zichorien an.

Zichorien werden überwiegend in der zweiten Jahreshälfte kultiviert. Zuckerhut wird Ende Mai bis Ende Juni ein bis zwei Zentimeter tief ausgesät, Radicchio im Juli. Sind die Beete besetzt, können die Pflanzen auch vorgezogen und erst im August möglichst sonnig in durchlässigen, humosen Boden gesetzt werden.

Eine ungewöhnliche Kultur ist Chicorée. Ursprünglich als Kaffee-Ersatz angebaut, wurde die Wurzelzichorie eher durch Zufall zum Wintergemüse: Ein belgischer Rübenbauer soll um 1870 einen Teil seiner reichen Ernte im Gewächshaus eingelagert haben – und die Wurzeln hätten dann ausgetrieben, erzählt Palme.