Messe-Chef Bernd Aufderheide über Veränderungen in 30 Jahren Business und zukünftige Projekte

Der Chef der Hamburg Messe und Congress GmbH, Bernd Aufderheide, hält das Geschäftsmodell stationärer Ausstellungen für zukunftsfähig und wünscht sich zum 650. Jubiläum noch mehr Unterstützung durch die Stadt.

Hamburger Abendblatt:

Sie sind seit knapp 30 Jahren im Messegeschäft. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Bernd Aufderheide:

Im Wesentlichen die eingesetzten Hilfsmittel. Für Akquise, Technik oder die Vernetzung mit Besuchern und Ausstellern nutzen wir heute natürlich alle Möglichkeiten digitaler Medien. Wir sind nicht nur während, sondern auch zwischen den Veranstaltungen dichter an unseren Zielgruppen als vor 30 Jahren. Am ursprünglichen Konzept hat sich aber im Grunde nichts geändert. Messen sind, wie schon vor 650 Jahren, als Hamburg das Messeprivileg verliehen wurde, ein stationäres Geschäft. Wir bieten den beteiligten Industrien und Kunden am Standort Hamburg und zunehmend auch im Ausland eine attraktive Plattform für ihre Geschäfte – und daran wird sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern.

Widerspricht die Internationalisierung der Messe nicht dem Grundgedanken der Wirtschaftsförderung in der Heimatstadt?

Aufderheide:

In der Tat haben sich damit viele Gesellschafter der Messen lange Zeit sehr schwergetan. Hier hat in den vergangenen Jahrzehnten aber ein nachhaltiges Umdenken stattgefunden. Wir begleiten unsere Aussteller und Branchen ins Ausland – das schafft Kundenbindung. Und wenn wir etwa mit unserer Weltleitmesse der Schifffahrt, der SMM, in Indien sind, akquirieren wir dort neue Aussteller für die Veranstaltung in Hamburg.

Sie treiben die Internationalisierung also weiter voran?

Aufderheide:

Das Auslandsgeschäft ist ein wichtiger Bestandteil unseres Geschäftsmodells. In einem Ausbau sehen wir hier durchaus Potenzial. Dafür setzen wir auf Kooperationen mit deutschen und internationalen Messegesellschaften und konzentrieren uns dabei auf die Kernbereiche, in denen wir stark sind und die thematisch zur Branchenstruktur der Metropolregion Hamburgs passen: unter anderem maritime Wirtschaft und erneuerbare Energien.

Gibt es konkrete Pläne für neue Projekte?

Aufderheide:

Wir wollen in diesem Jahr unser Auslandsmessegeschäft in Indien ausbauen und haben konkrete Pläne in Südostasien und den Emiraten.

Haben sich die Erwartungen Ihrer Kunden im Verlauf der Jahrzehnte verändert?

Aufderheide:

Der Verkauf von Produkten oder Vertragsabschlüsse direkt auf der Messe spielen inzwischen eine deutlich geringere Rolle. Es geht insbesondere auf Fachmessen vielmehr darum, neue Produkte vorzustellen und zu erläutern oder bestehende Kontakte zu pflegen und neue zu potenziellen Geschäftspartnern aufzubauen. Als Veranstalter mussten wir lernen, dass sich etwa auf der SMM die Aussteller auch als Besucher begreifen und deshalb froh sind, wenn sie Zeit haben, die Messe auch als Gast besuchen zu können. So etwas berücksichtigen wir in unserer konzeptionellen Arbeit.

Fürchten Sie nicht, dass Messen im Zeitalter von virtuellen Welten und Videokonferenzen zu einem Auslaufmodell werden?

Aufderheide:

Das war vor zehn Jahren das große Schreckgespenst. Die Besucher- und Ausstellerzahlen erfolgreicher Messen zeigen aber ein anderes Bild. In Hamburg verzeichnen wir von 2012 auf 2014 einen Anstieg der Besucherzahl um rund zwölf Prozent. Natürlich verändert die zunehmende Digitalisierung unser Geschäft, aber niemand kauft im Industriegüterbereich Produkte auf Basis von Videokonferenzen oder aus dem Internet heruntergeladener Beschreibungen. Bei Konsumgütern sieht es sicher etwas anders aus. Aber auch hier spielen Vertrauen und langfristige Lieferbeziehungen eine große Rolle. Messen werden deshalb dafür auch weiterhin ein geeigneter Marktplatz sein.

Offenbar gilt das aber nicht für „Du und Deine Welt“. Warum haben Sie diese traditionsreiche Verbraucherausstellung sterben lassen?

Aufderheide:

Die Entscheidung ist uns sehr schwergefallen, war jedoch aus kaufmännischen Gründen notwendig. Das Messekonzept war nicht mehr zeitgemäß und der Produktzyklus zu Ende. Ein Comeback war trotz intensiver Bemühungen auch mit externer Hilfe nicht mehr möglich. In Hamburg funktionieren breit aufgestellte Verbrauchermessen offenbar nicht mehr. Die Konkurrenz durch die großen, modernen Einkaufszentren und durch das Internet ist einfach zu groß.

Stehen weitere Publikumsmessen vor dem Aus?

Aufderheide:

Nein. Von aktuell insgesamt 18 verschiedenen Verbrauchermessen betreiben wir die Reisen Hamburg, die HansePferd, die Hanseboot und die Mineralien in Eigenregie. Alle vier Messen laufen gut, weil sie sich an eine klar definierte Zielgruppe richten. Und auch die von privaten Veranstaltern auf unserem Gelände ausgerichteten Messen funktionieren erfolgreich nach dem gleichen Prinzip. Die Themen, die den Menschen in der Metropolregion Hamburg geboten werden, sind so bunt wie vielfältig: angefangen bei Spirituosen über Golf und Motorräder bis zur Babywelt.

Geld verdienen Sie aber vor allem mit Fachmessen wie SMM, Internorga und WindEnergy. Was planen Sie hier?

Aufderheide:

In der Tat sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung und legen den Schwerpunkt unserer Arbeit auf dieses Segment. Wie erwähnt, haben wir dabei insbesondere die großen Branchen der Metropolregion im Blick und unterstützen so die Clusterpolitik unserer Gesellschafter. Entsprechend liegt unser Fokus auf den großen Themen erneuerbare Energien, maritime Wirtschaft, Luftfahrt und Life Science.

Das lässt erwarten, dass Sie bald eine eigene Life-Science-Messe präsentieren.

Aufderheide:

Wir werden mit einer neuen Messe in Eigenregie kommen. Zur Branche sage ich aber noch nichts. Grundsätzlich gilt aber auch für Fachmessen: Man muss nicht alles selbst machen. Ein gutes Beispiel ist hier die Ausrüstermesse Air Craft Interiors Expo, die seit 15 Jahren bei uns ist und von einem britischen Veranstalter betrieben wird.

Eigene Veranstaltungen sind aber lukrativer?

Aufderheide:

Pauschal würde ich das so nicht sagen. Aber für die Bereiche, in denen unsere Kernkompetenz liegt und wir die notwendigen Ressourcen vorhalten, ist das richtig. Unsere finanziellen Mittel sind begrenzt, und deshalb prüfen wir sehr genau ihre Verteilung.

Was spricht für den Messestandort Hamburg?

Aufderheide:

Die Standortvorteile liegen auf der Hand: attraktive Stadt, tolle Lage des Messegeländes, gut erreichbar, exzellente Verkehrsanbindung, riesiges Angebot vergleichsweise preisgünstiger Hotels mit hohem Standard. Und bei den großen Industriemessen spricht unsere Branchenkompetenz für uns. Die maritime Wirtschaft ist international konkurrenzfähig, und im Flugzeugbau ist Hamburg weltweit die Nummer drei – beste Voraussetzungen für erfolgreiche Messen.

Und trotzdem erwirtschaftet die HMC keine Gewinne. Wann werden Sie denn profitabel?

Aufderheide:

Wir streben die „Schwarze Null“ für 2016 an. Der Blick nur auf das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis wird aber in keiner Weise unserer erfolgreichen Arbeit gerecht. Wir haben vor zehn Jahren unsere Ausrichtung überarbeitet und frühzeitig ein Effizienzprogramm gestartet. Der Umsatz hat sich seither auf rund 100 Millionen Euro beinahe verdoppelt. Die operative Marge liegt 2014 bei etwa 20 Prozent. Das ist ein Spitzenwert für ein öffentliches Unternehmen. Und statt der geplanten 13 Millionen Euro beträgt das Defizit 2014 nur noch rund fünf Millionen Euro.

Ein Minus bleibt es doch.

Aufderheide:

Dabei müssen Sie berücksichtigen, dass wir nach der Erweiterung des Messegeländes für 370 Millionen Euro 29 Jahre lang einen zweistelligen Millionenbetrag als Leasingraten zahlen müssen. Die Entscheidung wurde vor Jahren so getroffen, und damit müssen wir leben. Aber bei einer kreditfinanzierten Investition wären unsere Belastungen halb so hoch. Dann könnten wir heute rund vier Millionen Euro Gewinn abliefern. Ohnehin halte ich die Erwartungshaltung für überzogen, dass ein Messegelände große Gewinne erwirtschaftet. Vergessen Sie nicht, dass die Aussteller und Besucher viel Geld in der Stadt lassen: jedes Jahr bis zu 750 Millionen Euro. Das sichert mehr als 4000 Arbeitsplätze in Hamburg. Allein 1,2 Millionen Hotelübernachtungen werden durch die Messen und Kongresse generiert.

Die Sanierung des Congress Centers Hamburg für knapp 200 Millionen Euro ist beschlossen. Gibt es ein neues Nutzungskonzept?

Aufderheide:

Am Charakter des CCH ändert sich nicht grundsätzlich etwas. Aber nach der Revitalisierung werden dort dann auch kleinere Veranstaltungen wirtschaftlich attraktiver für uns. Eine zeitgemäße Technik ermöglicht künftig eine parzellierte Nutzung, ohne dass etwa das gesamte Heizungssystem hochgefahren werden muss. Die Aussichten auf dem Kongressmarkt sind prima, und wir sind bestens aufgestellt. Es wird auch weiterhin reine Gastro-Veranstaltungen geben, die wie der Abschlussball der Tanzschulen zu Hamburg gehören, an denen wir aber wenig verdienen. Unser Fokus liegt auf mittleren und großen Kongressen.

Welchen Wunsch haben Sie zum Jubiläum?

Aufderheide:

Ich würde mir noch mehr Unterstützung für die Messe durch die Stadt wünschen. Hier hat in den vergangenen Jahren ein enormes Umdenken stattgefunden – die Bewilligung der Investitionen für das CCH ist das jüngste Beispiel. Doch es geht nicht nur ums Geld, sondern um die schnelle und unbürokratische Unterstützung unserer Arbeit.

Konkret?

Aufderheide:

Beim „City-Dressing“ gibt es zum Beispiel noch viel Luft nach oben. Mitunter ist die Welt zu Gast in Hamburg, und man sieht es kaum. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einem internationalen Wettbewerb stehen. Wer ein Großer sein will, muss sich auch so präsentieren.