HSV schießt beim 1:2 gegen Eintracht Frankfurt durch Nicolai Müller sein erstes Saisontor, bleibt aber siegloser Tabellenletzter

Als die vierte Niederlage der noch jungen Saison um 19.20 Uhr besiegelt war, setzte eine Massenflucht ein. Drei, vier Minuten nach dem Abpfiff, als die Spieler in die Nordkurve trotteten, war ein Großteil der Fans verschwunden. Immerhin, von den verbliebenen Zuschauern, darunter auch der designierte HSV-Sportdirektor Peter Knäbel, gab es aufmunternden Applaus und zarte HSV-Rufe. Es war die verdiente Anerkennung für das engagierte, aber eben erfolglose Auftreten der Profis in den 90 Minuten zuvor.

1:2 gegen Eintracht Frankfurt verloren, mit zwei Punkten und 1:7 Toren weiter das Schlusslicht der Fußball-Bundesliga – da tröstete es auch nicht, dass dem HSV endlich mal wieder ein Treffer gelungen war. Für die Hamburger hat bereits nach dem sechsten Spieltag der Abstiegskampf begonnen. Kommendes Wochenende muss der Club bei Borussia Dortmund antreten.

„Keine Ahnung, was die Frankfurter heute für ein Glück gefressen haben“, sagte Tolgay Arslan fassungslos. „Die machen im ganzen Spiel nichts und werden noch belohnt. Ein Spiel so zu verlieren ist unbeschreiblich.“

Der Mittelfeldspieler meinte die 89. Minute, als sich der eingewechselte Petr Jiracek 30 Meter vor dem eigenen Tor ein rüdes Foul leistete und dem Frankfurter Lucas Piazón ein Freistoßtreffer der Marke Sonntagsschuss gelang. Nachdem der hoch steigende Ball zunächst weit über dem HSV-Tor zu landen schien, verschwand er schließlich im rechten Winkel, während Jaroslav Drobny regungs- und chancenlos zuschaute. Ein Traumtor. Während Eintracht-Coach Thomas Schaaf jubelte („Lucas hat im Training schon häufig gezeigt, dass er so einen Schuss raushauen kann“), klagte Matthias Ostrzolek: „So einen Freistoß zu bekommen ist sehr bitter. Das passt zur Situation.“

Leiden mussten die HSV-Fans auch schon in der ersten Halbzeit, als sich in der 25. (historischen) Minute Folgendes ereignete: Ballverlust Arslan, Timothy Chandler wird von HSV-Verteidiger Cléber gestoppt, kurz darauf foult Slobodan Medojevic Zoltan Stieber und kassiert die Gelbe Karte. Weil es in dieser Minute aber kein Tor zu notieren gab wie auch in den 450 Minuten der ersten fünf Ligapartien, war der Negativrekord des VfL Bochum aus der Saison 1979/80 (474 Minuten ohne Torerfolg) geknackt.

Dabei hatte der HSV – wie auch in Mönchengladbach – durchaus engagiert begonnen und wirkte entschlossen, den Torfluch zügig zu besiegen. Doch bald war es wie immer: Dem willigen HSV fehlten die zündenden Ideen gegen ein Frankfurter Team, das sich bei Ballverlust weit zurückzog und mit fünf, sechs Mann auf einer Abwehrlinie verteidigte, so auch die Seiten dicht machte. Überraschend hatte Trainer Joe Zinnbauer Heiko Westermann für Dennis Diekmeier auf die Rechtsverteidigerposition beordert, Cléber in der Innenverteidigung gebracht.

Ausgerechnet Westermann und Cléber waren aber die Hauptprotagonisten in der Entstehung des 0:1 nach 44 Minuten. Erst verstolperte der ehemalige deutsche Nationalspieler auf der rechten Seite den Ball, dann schlug der Brasilianer bei der Flanke von Chandler über den Ball, sodass Haris Seferovic aus acht Metern einschießen konnte. Wer sich solche eklatanten Fehler leistet, braucht sich nicht zu wundern, am Tabellenende zu stehen.

Während die Gäste mit dem zweiten Torschuss erfolgreich waren, stieß der HSV in der ersten Hälfte kaum einmal gefährlich ins letzte Drittel vor, Chancen gab es kaum zu beklatschen. Nach 27 Minuten prüfte Cléber Wiedwald nach einer Stieber-Ecke, in der Nachspielzeit köpfte Valon Behrami knapp vorbei. Torjäger Pierre-Michel Lasogga hing in der Spitze völlig in der Luft, hatte kaum Ballkontakte.

Das in dieser Situation so typische Pech hatte der HSV zudem, als Müller im Strafraum zu Fall kam, Schiedsrichter Florian Meyer aber weiterspielen ließ. Mit Glück hätte es Strafstoß geben können, aber Glück hat der HSV nicht.

Es spricht jedoch für die Moral der Hamburger, dass sie nach Wiederanpfiff umso mehr den Vorwärtsgang einlegten. Nun häuften sich die Chancen. Erst versuchte sich Lasogga vergeblich (47.), dann traf Holtby nur das Außennetz und Westermanns Kopfball blieb ohne Erfolg (57.). Kollektives Aufstöhnen auf den Rängen.

Doch nur eine Minute später wackelte das Stadion, als Müller der erlösende Treffer aus elf Metern nach Vorlage von Lewis Holty gelang. Nach 507 quälenden Minuten durften die HSV-Anhänger wieder jubeln und machten nun noch mehr Alarm, als sie merkten, wie vehement das Team auf den zweiten Treffer drängte.

Richtig zwingend jedoch kam der HSV selten durch. Die Spieler kämpften leidenschaftlich, ja, aber die Automatismen dieses neu formierten Teams fehlen noch. Ein Remis wäre gerecht gewesen. Dann kam die 89. Minute. Fußball kann manchmal ungerecht sein.