Michael Wrage ist Urlauberseelsorger in St. Peter-Ording. Sein Kirchenschiff steht mitten auf dem Strand

Michael Wrage, 53, ist für die katholische Kirche Pastoralreferent in St. Peter-Ording. Er und seine Kollegin, die evangelische Diakonin Andrea Streubier, sind die Urlaubsseelsorger in dem beliebten Ferienort an der Ostsee. Neben der Gemeindearbeit bieten die beiden Veranstaltungen und Gottesdienste für Erwachsene und Kinder vor und auf dem Kirchenschiff an. Darauf passen rund 35 Personen. Von März bis Oktober steht es mitten auf dem Strand auf Stelzen und ist inzwischen ein Wahrzeichen des Ortes. Mit der Idee dafür gewannen Wrage und Streubier 2008 den Missionspreis des Hamburger Vereins Andere Zeiten, vom Preisgeld wurde unter anderem das Schiff gebaut.

Hamburger Abendblatt:

Was bedeutet Urlauber-Seelsorge?

Michael Wrage:

Diese Form von Seelsorge ist besonders spannend, weil ich es hier mit Menschen zu tun habe, die in Kur sind und, gerade wenn sie schwer krank sind, einen seelsorgerlichen Bedarf haben. Zudem haben viele Hamburger hier ihre Ferienhäuser und besuchen den Gottesdienst. Und dann habe ich oft mit Touristen, die die Kirche besuchen, spontane, intensive Gespräche. In der Urlaubszeit besuchen Menschen viel häufiger Kirchen als zu Hause. Aus touristischen Gründen, aus Programmgründen und aus Neugierde. Und hierher kommen sie freiwillig, es gibt keinen Zwang, weil der Nachbar schaut.

Kommen im Urlaub andere Themen hoch als im Alltag?

Wrage:

Ich behaupte: nein. Die Menschen nehmen das, was sie sonst wegdrängen, mit in die Ferien. Entweder kommt es hier hoch, oder sie nehmen sich bewusst dafür Zeit. Es müssen ja nicht nur negative Dinge sein, manche finden hier die Zeit, um ihre Hochzeit vorzubereiten. Wir von der ökumenischen Seite bieten viele Veranstaltungen an, die Menschen dazu einladen, über ihr eigenes Leben nachzudenken oder sich auch beschenken zu lassen. Um das Thema Gott zu suchen und Spirituelles zu erleben, braucht es Anreize – wie die Urlaubszeit. So merken die Menschen hier in der Natur, dass es noch andere, wichtige Dinge im Leben gibt.

Der Strand, der Wind, das Urlaubsfeeling öffnet die Menschen also für Spirituelles?

Wrage:

Ja, das finde ich schon, auch wenn es natürlich Leute gibt, die nichts mit uns zu tun haben wollen. Aber bei unseren spirituellen Spaziergängen zum Beispiel treffen sich immer wieder wildfremde Menschen, kommen miteinander ins Gespräch und erleben das oft als eine wichtige Erfahrung. Bei diesen Spaziergängen gehe ich mit den Leuten vom Kirchenschiff aus zwei Stunden am Strand entlang. Auf den Wegstrecken gebe ich dann religiöse Impulse, und dazwischen bleibt Zeit, miteinander zu reden.

Mit welchen Angeboten erreichen Sie die Urlauber?

Wrage:

Seit wir das Kirchenschiff haben, findet jeden Donnerstag um 14 Uhr ein sogenannter Mittagsimpuls statt – etwa 15 Minuten lang. Mal gibt es einen Text, eine Meditation, ein Gebet oder eine Aktion, je nachdem, wer vor Ort ist. Wir wollen ja auch kirchenferne Menschen anziehen, und das klappt gut. Viele sind einfach neugierig und werden dann von dem, was passiert, überrascht. Jeden Mittwochabend im Juli und August bieten wir zudem „Sonnenuntergangsgedanken“ an, die finden dann am Südstrand statt. Es werden Strandkörbe zusammengestellt, wir hissen eine und mit einem Begrüßungsritual, Gebeten und Gedanken zu einem Thema entsteht eine besondere Gemeinschaft am Ende eines Urlaubstages. An normalen Tagen kommen bis zu 50 Menschen.

Kommen die Menschen in Badehosen?

Wrage:

Ja klar, das schafft gleich eine andere Atmosphäre. Ich trage ja auch Shorts, T-Shirt und Käppi – darauf das Logo des Kirchenschiffs. Und ich vermittele Urlaubern gerne das Gefühl: Sie haben Zeit, ich auch. Es ist eben entspannter hier. Und viele Touristik-Fachleute sehen dadurch auch einen Mehrwert für den Ort und unterstützen uns sehr.

Wie beziehen Sie Kinder mit ein?

Wrage:

Sie spielen Piraten auf dem Schiff, und zusätzlich gibt es für die Kleinen auch eine Kirchen-Hüpfburg, die bei Veranstaltungen aufgebaut wird. Spezielle Kinderangebote macht vor allem meine Kollegin Andrea Streubier. Ein Angebot heißt zum Beispiel biblische Botschaft buddeln, eine Bibelgeschichte wird dann szenisch umgesetzt. Oder in Verbindung mit der biblischen Erzählung vom Salz der Erde wird in einer Aktion das Thema Salz umgesetzt. So bekommen die Geschichten eine ganz andere Bedeutung.