Mit dem Neuen Allgemeinen Krankenhaus verwirklichte Heinrich Curschmann seine Vision einer modernen Klinik

„Auf Einladung des Krankenhaus-Collegiums hatte sich gestern Mittag im Neuen Allgemeinen Krankenhause zu Eppendorf eine auserlesene Gesellschaft eingefunden, um einer officiellen Besichtigung der Anstalt beizuwohnen.“ So beginnt der ausführliche Bericht des „Hamburger Fremdenblattes“ am 20.5.1889 über die feierliche Einweihung. Das Wort „Anstalt“ wird aber der Bedeutung des NAK nicht gerecht: Allein seine bauliche Gestaltung wurde zum Vorbild für zahlreiche Krankenhausbauten in aller Welt, seine medizinischen Leistungen weltweit beachtet.

Wie eine Villenstadt liege das NAK da, schreibt der Autor des „Fremdenblattes“. Der Blick aus dem ersten Stock des Verwaltungsgebäudes gebe einen „prächtigen Überblick über die ganze Anstalt“. Auf einer Fläche von 18 Hektar, die damals außerhalb der Stadt lagen, verteilten sich mehr als 70 Backsteingebäude in streng symmetrischer Anordnung entlang einer Mittelachse. 55 Pavillons für Kranke, ein Operationshaus, ein Badehaus, ein Leichenhaus, eine Desinfektionsanstalt, sieben Gebäude für die Versorgung mit Energie oder Essen sowie fünf Wohnhäuser und ein Pförtnerhäuschen listet das „Hamburger Fremdenblatt“ auf. „Zu jedem derselben führen saubere Wege, die von grünem, mit Bäumen und Blumen reich bepflanztem Rasen eingefasst sind.“

Entstanden war ein Pavillon-Krankenhaus im Park. In dieser Umgebung konnten die Patienten, die oft aus engen, stickigen Wohnungen kamen, auch seelische Leiden lindern, wie es die zeitgenössische medizinische Literatur forderte. Die Vision von Heinrich Curschmann, der als Leiter der Staatskrankenhäuser für Planung und Bau verantwortlich war, ging auf. Bis heute prägt diese Vision das UKE, es ist eine Klinik im Grünen.

1346 Patienten wurden am Einweihungstag bereits im NAK, das binnen fünf Jahren entstand, behandelt. Die Ärzte erforschten ihre Krankheiten mit naturwissenschaftlichen Methoden. Die Naturwissenschaften hatten in den Jahren zuvor die westliche Medizin von Grund auf verändert. Mit Physik und Chemie und ihren medizinischen Kindern, der Physiologie und Biochemie, hielten Mediziner Instrumente in der Hand, um die Krankheiten des Menschen systematisch zu ergründen. Rasante Entwicklungen in Pathologie, Bakteriologie und die Ausweitung operativer Techniken eröffneten den Ärzten neue Therapiemöglichkeiten.

Die Gründer des NAK griffen diese Entwicklungen konsequent auf. Das Neue Allgemeine Krankenhaus war das erste moderne Krankenhaus für akut und schwer Erkrankte aus allen Bevölkerungsschichten in Hamburg, während das 1823 gegründete Allgemeine Krankenhaus St. Georg die „Pflegekranken“ versorgte. Bis heute stehen im Zentrum der Krankenversorgung des UKE Menschen mit schweren, komplizierten oder seltenen Krankheiten.

Auch das enge Zusammenspiel von Grundlagenforschung und klinischer Forschung förderten die Verantwortlichen konsequent und zogen damit namhafte Mediziner an. Heinrich Curschmann verfolgte die Lobeshymnen auf „sein“ NAK im „Hamburger Fremdenblatt“ und in internationalen Medien von Leipzig aus. Er hatte ein Jahr zuvor einen Ruf an die dortige Universität angenommen. Bei der Eröffnungsfeier in Hamburg mit den politischen Repräsentanten der Stadt am 19. Mai 1889 fehlte Curschmann – ihm sei „unwohl“, ließ er die Veranstalter wissen. Die Verstimmung war aber offenbar nicht so gravierend. Zum Fest mit den Kollegen am 12. Juni 1889 reiste der „Vater“ des NAK an und feierte kräftig mit.