An der Staatsoper hat Händels Opern-Erstling „Almira“ Premiere, den er 1705 für die Gänsemarkt-Oper schrieb

Für die Karriere von Georg Friedrich Händel als Opernkomponist war die Hamburger Gänsemarktoper so wichtig wie die Clubs rund um die Reeperbahn für die Beatles. Das klingt als Analogie zwar überraschend, ist aber auch mit Tatsachen aus der Opern- Geschichte belegbar. Denn der junge Händel sammelte nicht nur praktische Erfahrungen als Orchestermusiker, er präsentierte 1705 in dieser Stadt auch seine erste Oper mit dem zugegebenermaßen noch etwas rumpelnden Titel: „Der in Krohnen erlangte Glücks-Wechsel, oder: Almira, Königin von Castilien“. Dass ihm diese Chance geboten wurde, hatte übrigens mit dem Kontostand des damals viel etablierteren Komponistenkollegen Reinhard Keiser zu tun. Der war wegen seiner Schulden zwischenzeitlich lieber nicht in der Stadt, und so wanderte das „Almira“-Libretto auf Händels Schreibtisch.

Dass aus dem jungen Geiger und Cembalisten etwas Ordentliches werden könnte, zeichnete sich schon damals ab: Das Stück kam bei den verwöhnten Hanseaten bestens an – und auf etwa 20 Aufführungen. Die Musik des fast zeitgleich entstandenen „Nero“ ist seit jener Zeit verschollen, doch auch die „Almira“ geriet im Laufe der folgenden Jahrhunderte eher in Vergessenheit; spätere, raffiniertere Werke schafften es viel bleibender in die Beliebtestenliste der Händel-Bewunderer.

So ganz fair ist die geringe Bekanntheit von Händels Opern-Erstling nicht. Als Vorahnung späterer Erfolge hat er mit seiner Mischung aus französischen und italienischen Stilelementen, Tragik und Komik, Theater und Ballett nämlich durchaus Interessantes zu bieten. Die Geschichte ist, wie es damals Usus war, als Beziehungslabyrinth angelegt, in dem sich fast jeder mit jedem anlegt oder verbündet. Doch in solchen Sujets wird der fantasievolle Umgang mit den musikalischen Konventionen und Freiheiten umso wichtiger.

Als Gastdirigent vom Fach kehrt Alessandro De Marchi an die Dammtorstraße zurück, der hier mit Telemanns „Flavius Bertaridus“ eine weitere historische Gänsemarkt-Hamburgensie vorgestellt hatte. Für die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen ist diese Produktion ihr Hausdebüt, die Titelpartie singt die amerikanische Sopranistin Robin Johannsen. Als örtliche Ergänzung und Lektion zum Thema „Händel und Hamburg“ findet am Vorabend der Premiere ein Arien- und Kammermusik-Abend mit dem Hasse-Ensemble der Musikhochschule (Leitung: Wolfgang Hochstein) in der Opera stabile statt. Im August wird das Stück als eine weitere Hamburg-Innsbruck-Koproduktion bei den dortigen „Festwochen der Alten Musik“ zu sehen sein.

Die Beatles gingen nach ihrer Hamburger Lehrzeit wieder zurück nach Großbritannien, um von dort aus die Musikwelt zu erobern; Händel verließ Hamburg, das Tor zur Musikwelt, Richtung Süden. Er wählte als nächste Karriere-Etappe Italien. Doch unsterblich als Opernkomponist wurde er in London. So ähneln sich die Schicksale.

„Almira“ 25.5. (Premiere), 18.00. Karten zu 7,- bis 176,- unter T. 356868. Weitere Vorstellungen: 28./31.5., 6., 15. und 19.6. jeweils 19.00