In einem Tryptichon fügt das junge forum Musik + Theater drei Kurzopern zusammen

Als Paul Hindemiths Skandalstück „Sancta Susanna“ 1925 in Hamburg aufgeführt werden sollte, ließ die Theaterleitung jeden Besucher schriftlich versichern, dass er die Aufführung nicht durch Proteste stören werde. Solche Vorsichtmaßnahmen sind für den neuesten Opernabend des jungen forums Musik + Theater nicht geplant, offenbar vertraut man auf die Toleranz der Hanseaten. Denn Regieprofessor Florian Malte Leibrecht vereint Hindemiths „Sancta Susanna“, Ravels „L'enfant et les Sortilèges“ und Poulencs „Les mamelles de Tiresias“ zu einem provokanten Triptychon über Sex und Ungehorsam. Es singen Studenten der Opernklasse und der schwule Männerchor „Schola Cantorosa“. Es spielen die Hamburger Symphoniker.

Ein Blick auf die Handlung von „Sancta Susanna“ verrät, warum der 25-minütige Einakter so viel Ärger erregte und ein so großer Erfolg wurde: Animiert von Lustschreien eines kopulierenden Paares, steigert sich Nonne Susanna in Ekstase. Auf dem Höhepunkt ihrer Erregung überkommt sie eine Vision: Susanna vermeint, den Erlöser vom Kreuz herabsteigen zu sehen und reißt ihm den Lendenschurz herunter. Hindemith hatte für die Aufregung um sein Stück wenig Verständnis: „Der Teil der Zuschauer, der schon so viel Grütze hat, die Sache zu kapieren, wird sich schon die richtigen Lehren daraus ziehen“, schrieb er seinem Verleger.

Beseelt vom frechen Geist der stürmischen 20er-Jahre ist auch Maurice Ravels Zweiakter „Das Kind und der Zauberspuk“. Ein Kind lässt seiner Zerstörungswut und seinem Sadismus freien Lauf und gelangt zu derselben philosophischen Einsicht wie die Libertins in den Romanen des Marquis de Sade: „Ich bin böse, ich bin frei!“.

In Francis Poulencs „Die Brüste des Tirisias“ tauscht ein Paar die Rollen. Sie wird Mann, er zur Frau. An einem Tag bringt das fruchtbare Transgender-Paar 40049 Kinder zur Welt. „O Franzosen, macht mehr Kinder“, heißt es am Schluss – ein Seitenhieb auf jene Ideologie, die die Fruchtbarkeit zur ersten Bürgerpflicht erklärte.

Florian-Malte Leibrecht verknüpft die drei Stoffe durch eine psychoanalytische Lesart und lässt zudem stets eine Figur wiederkehren. So finden sich die Darsteller jeweils zu Beginn in dem kühlen Wartezimmer eines ominösen Psychiaters wieder, dessen Präsenz sich als roter Faden durch die verschiedenen Werke zieht. Entfliehen können Protagonisten wie Zuschauer dieser zweifelhaften Psychoanalyse nur in surreale Welten, in denen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung, Realität und Traum verschwimmen.

Triptychon 1. Juni, 19.00 (Premiere), weitere Vorst. am 3., 5., 27.6. und 4.7., jew. 19.30; am 9., 21., 29.6., 18.00 sowie 7.6., 19.00, Forum der Musikhochschule, Karten zu 25,- unter T. 44 02 98