Wenn im Café Veronika Rumpsteak auf der Mittagskarte steht, kommen besonders viele Gäste. Beim letzten Mal war schon nach einer Dreiviertelstunde alles aufgegessen. Calvinlächelt stolz. „Es ist toll, wenn es den Leuten schmeckt.“ Er war an dem Tag für die Steaks zuständig. Auch jetzt steht der 17-Jährige in schwarzer Kochjacke in der Küche des Stadtteiltreffs in der Eimsbütteler Lenzsiedlung.

Punkt sieben Uhr geht es für ihn morgens los. Kartoffeln schälen, Gemüse schnippeln, in den riesigen Töpfen rühren. „Das ist genau das Richtige für mich“, sagt Calvin. Und dann er sagt noch: „Mein Leben ist jetzt auf einer guten Bahn.“

So war es nicht immer. Calvin war gerade mal 13 Jahre alt, als er bei seinen Eltern auszog. Immer wieder hatte es bei der Familie in Eidelstedt Streit gegeben, richtig schlimmen Streit. Es ging um Schulnoten, die immer schlechter wurden. Darum, dass er abends nicht nach Hause kam. Und um seine Freunde, mit denen er anfing, Alkohol zu trinken und zu rauchen. „Das hat sich total hochgepusht“, sagt Calvin. Ungerecht behandelt habe er sich gefühlt und unverstanden. Es war wie eine Spirale, die sich immer schneller dreht. Irgendwann hat er seine Mutter angegriffen. Da war klar, dass es so nicht weitergehen kann. Calvin – inzwischen mit der Diagnose, dass er hyperaktiv ist – wechselte die Schule, die Familie bekam Hilfe von einem Betreuer. Aber die Streitereien hörten nicht auf. Seine Eltern wussten nicht mehr weiter. Calvin sagt: „Ich habe es nicht mehr ausgehalten.“ Schließlich zog der Junge in eine Jugendwohnung des Rauhen Hauses.

Mit acht anderen Jugendlichen lebte er in der Wohngruppe in Stellingen. Es gab klare Regeln, und rund um die Uhr waren Betreuer da. „Wir waren wie eine Familie, nur dass wir viel friedlicher miteinander umgegangen sind“, sagt Calvin. Besonders wichtig war für ihn, dass „da jemand war, der sich in mich reinversetzen konnte“. Das hat ihm geholfen, zu sich zu finden. Die Gemeinschaft gab ihm Kraft. In der Schule lief es wieder, der Kontakt zu seiner Familie besserte sich. Es war, als ob die Spirale die Richtung gewechselt hätte. Calvin bestand seinen Hauptschulabschluss, besuchte danach die Produktionsschule Eimsbüttel „Lenzservice“ – und machte sein erstes Praktikum im Café Veronika. „Ich habe schon immer gern gekocht“, sagt er. Seit Februar macht er eine Ausbildung zum Koch. „Er ist ein Superkollege, sehr zuverlässig“, sagt Kollegin Gaby Bünz.

Anfang des Jahres ist Calvin gemeinsam mit einem Mitbewohner in eine kleine Wohnung des Rauhen Hauses gezogen, nur ein paar Häuserblocks von der Jugendwohnung entfernt. Wenn er über den Jungen spricht, der er einmal war, klingt es so, als wäre der ein anderer. „Ich habe den Streit gesucht, bin mit mir selbst nicht klargekommen“, sagt er. Heute redet er über seine Probleme. Mit seinen Freunden, mit denen er abends unterwegs ist, mit seinen Kollegen am Arbeitsplatz, mit seinen Betreuern – und mit seiner Mutter. An den Wochenenden besucht er seine Schwester und ihre beiden kleinen Jungen in Bergedorf. Er spielt mit ihnen oder macht Ausflüge. „Kinder brauchen viel Liebe und Zuwendung“, sagt Calvin. Er weiß, wovon er spricht. Im Sommer fährt er als ehrenamtlicher Betreuer mit auf eine Dänemark-Fahrt des CVJM, schon zum zweiten Mal. Das ist auch eine Gemeinschaft, in der er sich aufgehoben fühlt. Für seine Zukunft hat er einen Plan: die Ausbildung schaffen und danach ein Restaurant aufmachen.