Die promovierte Biologin Kathrin Dausmann arbeitet als Juniorprofessorin am Zoologischen Institut der Universität Hamburg

Sie können kopfüber das 100-Fache ihres Körpergewichts tragen und leben in hoch spezialisierten arbeitsteiligen Systemen: „Ameisen haben mich schon als Sechsjährige schwer beeindruckt und meinen Forscherdrang geweckt“, sagt Kathrin Dausmann. Das enthusiastische Interesse aus Kindertagen hat die 41-Jähreige längst zum Beruf gemacht. Die promovierte Biologin arbeitet heute als Juniorprofessorin am Zoologischen Institut der Universität Hamburg in der Abteilung Ökologie und Naturschutz.

Ihr Studium der Biologie begann die gebürtige Münchnerin 1991 an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, weil dort der renommierte Ameisenforscher Professor Bert Hölldobler lehrte. „Aber auch das Ineinandergreifen der Prozesse in der Natur, um Leben zu erhalten, und die damit verbundene immer neue komplexe Anpassung faszinierten mich“, sagt Dausmann, bei der die Begeisterung für ihre Arbeit in jedem Satz mitschwingt.

Mit Lemuren – deren Winterschlaf heute einen ihrer Forschungsschwerpunkte ausmacht – kam sie erstmals als Studentin während eines Praktikums auf Madagaskar in Kontakt. Schon ein Jahr später kehrte Dausmann für sieben Monate auf die Insel im westindischen Ozean zurück, um ihre Diplomarbeit über die Ausbreitung von Samen im westmadagassischen Trockenwald zu schreiben. „Ein aufregendes und inspirierendes Erlebnis, im Zelt ohne Strom und Wasser im Wald zwischen den Tieren zu leben“, sagt Dausmann. Um die Funktionsweise der Natur und einer Tierart zu verstehen, müsse man für längere Zeit mittendrin leben. Nur so ließen sich unterschiedliche Zusammenhänge im Jahresverlauf entdecken. Etwa wenn am Ende der Trockenzeit im madagassischen Wald das Wasser verschwunden ist, kein Blatt mehr am Baum hängt und sich kühleres Klima ausbreitet. „Dann stellen sich automatisch Fragen, wie zum Beispiel Arten mit geringer Körpermasse unter den erschwerten Bedingungen mit ihren Energiereserven auskommen.“

Seitdem flog die Wissenschaftlerin jedes Jahr nach Madagaskar – „in letzter Zeit wegen meiner Kinder allerdings immer nur noch für vier Wochen“, sagt die dreifache Mutter. Bei ihren Aufenthalten kommt sie oft ins Gespräch mit anderen Wissenschaftlern. „Gleich in den Anfängen ging es um das Sozialsystem und die Genetik von Lemuren“, sagt Dausmann. Daraufhin beobachtete sie die Halbaffen mit dem silbergrauen Fell intensiver – und fragte sich, warum diese sich in der Trockenperiode jeweils für mehrere Monate zurückzogen. „Winterschlaf in wärmeren Gefilden war bis dato völlig unbekannt“, sagt Dausmann. Die Wissenschaft setzte damals dafür Temperaturen um null Grad voraus. In Madagaskars Trockenwald fiel das Thermometer jedoch selbst in der kalten Trockenperiode im Schnitt gerade mal auf etwa sieben Grad.

Für ihre Doktorarbeit begann Dausmann im Jahr 1998 ihre viereinhalbjährigen Untersuchungen zum tropischen Winterschlaf der Fettschwanzmakis, einer Lemurenart – bis heute eine ihrer großen Leidenschaften. Tag und Nacht nahm sie viele Wochen am Stück Messungen mit der Stoppuhr vor und beobachtete die Makis. Mit ihren akribischen Analysen konnte sie belegen: Zwischen November und März legen die possierlichen Tiere an Gewicht zu, Fett wird dabei vor allem im Schwanz gespeichert. Den anschließenden Winterschlaf verbringen sie meist in einer Baumhöhle, ihr Körper zehrt dann die Reserve im Schwanz auf. Längst besteht eine besondere Verbundenheit zu den zierlichen Halbaffen mit den Kulleraugen. „Es sind schon sehr putzige Tierchen, die man einfach gernhaben muss“, sagt Dausmann und lacht. Aktuell untersucht sie, warum sich die Artgenossen in der Hochebene Madagaskars – anders als die Fettschwanzmakis im Trockenwald – zum Winterschlaf in der Erde vergraben.

„Letztendlich lässt sich die Forschung zum Winterschlaf sogar direkt für den Menschen nutzen“, sagt Dausmann. So arbeitet mit ihr im Team am Zoologischen Institut ein Schlafforscher, der die Prozesse des menschlichen Schlafs untersucht. Auch Organe für eine Transplantation versucht man derzeit in einen Zustand ähnlich dem Winterschlaf zu versetzen und so länger haltbar zu machen. Die US-Weltraumbehörde Nasa würde den Ansatz gerne übertragen, um Stoffwechselaktivitäten von Astronauten für lange Strecken herunterzufahren. „Das ist natürlich alles noch Zukunftsmusik“, sagt die Biologin.

Ihre Forschungen über Anpassungsprozesse in der unwirtlichen Jahreszeit hat Dausmann inzwischen auch auf andere Arten ausgeweitet. „Es muss nicht immer Madagaskar sein, auch vor der Haustür tun sich interessante Felder auf“, sagt die Biologin. So untersucht Kathrin Dausmann etwa aktuell das Verhalten von Eichhörnchen in den kalten Monaten auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Dazu möchte sie auch spezielle Ruhezustände der flinken Kletterer darlegen – ähnlich einem Winternickerchen. Schließlich sei es doch verwunderlich, wie diese kleinen Tiere es bei längeren Kälteperioden mit Minusgraden schaffen, ohne einen Energiesparmodus durchzukommen.

Aber ebenso interessieren die Forscherin die Einflüsse der Urbanisierung auf die Natur. „Es gibt so viele spannende Fragen, da möchte ich mich nicht nur auf ein Thema festlegen“, sagt Kathrin Dausmann.