Aktionstage präsentieren Techniken damals und heute

Deutschland gilt als das Land mit den meisten Brotsorten weltweit. Derzeitig sind es etwa 750. Das liegt an den verschiedenartigen Getreidesorten, die hierzulande angebaut werden wie Weizen, Roggen, Dinkel, Hafer. Ein weiterer Grund für die Brotvielfalt ist die einstige Kleinstaatlichkeit, in der jeder Staat seine eigene Backkultur entwickelte. Auch die Kreativität und Qualifikation deutscher Bäckermeister spielt eine Rolle, die Mehle untereinander mischen und mit Nüssen, Gewürzen, getrockneten Früchten oder geraspeltem Gemüse versetzen. Nirgendwo sonst gilt Backen als ein Handwerksberuf.

Im Freilichtmuseum am Kiekeberg können Besucher den Bäckerinnen über die Schulter schauen: Die Museumsbäckerei ist jeden Tag geöffnet. In drei großen Holzbacköfen entstehen Brote, Kuchen und Kekse nach alten Rezepten aus der Region. Krusten- und Roggenschrotbrot, Heidesand und Haferkeks sind traditionell. "Wir probieren aber auch immer neues Gebäck aus, wie Orangenbögen und Kokoskonfekt", sagt Marion Junker vom Freilichtmuseum. Alle Produkte werden aus Bioland-Zutaten, hauptsächlich aus der Lüneburger Heide, gebacken, von Hand und vor den Augen der Besucher. "Unsere Bäckerinnen erklären auch gern die Holzbacköfen mit den Schamottsteinen", sagt Marion Junker.

Kinder und Erwachsene lernen in Kursen und bei Ausflügen, wie mit Feuer herzhafte Brote und süße Teilchen gebacken werden. Noch mehr Vielfalt rund ums Brot bietet der Aktionstag "Alles zum Brot" am 17. März. Bäckermeister zeigen in der Lehrküche ihr Können und lassen die Besucher die duftenden Köstlichkeiten probieren. Wer selbst aktiv werden möchte, darf auf alten Mühlen Mehl mahlen, einen Sinnesparcours durchlaufen oder Stockbrot und Cracker backen.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aß die deutsche Landbevölkerung überwiegend Roggenvollkornbrot. Das helle und teurere Weizenbrot war besonderen Anlässen vorbehalten. "Süße Backwaren gab es nur bei Familienfesten und an Feiertagen. Häufig buk die Bauersfrau nicht selber, sondern kaufte den Kuchen bei reisenden Händlerinnen, sogenannten Stutenfrauen. Diese bezogen ihre Ware meist von gewerblichen Bäckern", erläutert Marion Junker. Als sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt Berufsbäcker in den Dörfern ansiedelten, rückte die Landbevölkerung davon ab, Brot selber zu backen. Gleichzeitig nahm der Verzehr an Weizenbrot und anderen feinen Backwaren zu.

Fürs Brotbacken wurde der Teig bereits am Vortag in einem großen Trog angesetzt. Anschließend musste er über Nacht "gehen". Am nächsten Morgen wurde der Ofen mehre Stunden lang vorgeheizt, parallel der Teig geknetet und geformt. War der Ofen heiß genug, wurden die Brotlaibe zum Anbräunen (Gnistern) kurz zwischen die Glut gelegt. Anschließend wurde der Ofen ausgewischt. Erst dann konnte der zwei- bis dreistündige Backvorgang beginnen. Weil der Brennholzvorrat begrenzt war und sich ein Ofen nur schlecht nachheizen ließ, wurden sämtliche Brote auf einmal gebacken. Auf dem Gelände des Freilichtmuseums befindet sich ein Backhaus aus dem 17. Jahrhundert. Der kuppelförmige Lehmofen wurde nach alten Vorbildern rekonstruiert. Von April bis Oktober finden dort jeden Donnerstag Backvorführungen statt.

Heute zeigen die Darsteller der "Gelebten Geschichte 1804" am Kiekeberg, wie die Landbevölkerung vor 200 Jahren auf einem Bauernhof lebte. Brot backen war damals eine wichtige Aufgabe: "Sie unterstand der Bäuerin, die viel Erfahrung hatte. Machte sie einen Fehler, musste der Hof wochenlang halb gares oder hartes Brot essen", erzählt Marion Junker. Gebacken wurde im Winter alle vier bis sechs, im Sommer alle drei bis vier Wochen. Oftmals befand sich der Ofen in einem Backhaus, das ihn vor Witterung schützte. Seit dem 17. Jahrhundert waren hierin häufig die auf dem Hof arbeitenden Häuslinge untergebracht. Dafür mussten sie das Gebäude instand halten und dem Bauern beim Backen helfen. Wegen der Brandgefahr stand ein solches Haus immer ein wenig von den übrigen Gebäuden entfernt. Für einen großen Hof mit 15 bis 20 Personen waren 30 bis 40 Brote von je zehn Pfund vonnöten.

Im Freilichtmuseum am Kiekeberg ist die "Gelebte Geschichte 1804" zum Beispiel am 23. und 24. März, am 1. Mai und am Pfingstmontag, den 20. Mai zu erleben. Kochen auf offenem Feuer, spinnen, Feldarbeit, Korb flechten und Gänse hüten - Besucher erleben den Alltag, und die Darsteller erklären gern die Zeitumstände.

Aktionstage: 17.3. Alles zum Brot; 2./3.3. Kunsthandwerkermarkt; 1.4. Ostervergnügen; 7.4. Nutzpflanzenmarkt; 20./21.4. Pflanzenmarkt; 5.5. Spargelzeit, Freilichtmuseum am Kiekeberg, Am Kiekeberg 1, 21224 Rosengarten-Ehestorf, T. 790 17 60, ganzjährig Di-So 10.00-18.00, Eintritt 9 Euro, Jugendliche unter 18 Jahren frei