Kurz vor Wagners 200. Geburtstag dirigiert NDR-Chef Thomas Hengelbrock ein klingendes Ständchen. Auf dem Programm stehen auch einige Werke von Wagners Schwiegervater Franz Liszt

Es gehört zu den Besonderheiten eines Rundfunkorchesters, dass es normalerweise mit Opernrepertoire überhaupt nicht in Berührung kommt. Mit einem Chefdirigenten, den das nicht weiter stört, bleibt es dann eben dabei. So ein Chefdirigent ist Thomas Hengelbrock nun mal nicht, er fährt gern vielgleisig. Er hat Oper ebenso oft und erfolgreich wie Konzerte im internationalen Terminkalender, interessiert sich für Alte Musik und lernt davon für den Umgang mit Neuerem.

Doch selbst in einem Jahr, in dem landauf, landab gleich drei epochale Opern-Größen gefeiert werden - Wagner, Verdi und Britten - kann sich der NDR keine reguläre Opernbühne mit Orchestergraben und Ensemble herbeizaubern, um sich einen Abstecher in dieses Repertoirefeld zu gönnen.

Deswegen gratuliert Hengelbrock Wagner zum 200. Geburtstag mit einem geschickt gestrickten Konzert, das Kostproben aus dessen Opern bietet und dabei auch Anspielungen an die nicht ganz einfachen Familienverhältnisse des sächselnden Gesamtkunstwerkers durchklingen lässt: Neben Orchestralem von Wagner werden auch Werke seines Gönners, Förderers und Schwiegervaters Franz Liszt gespielt.

Zwei radikale Visionäre an einem Abend also, deren Biografien untrennbar verbunden sind. Die Ehe mit Liszts Tochter Cosima, die zuvor mit dem Dirigenten Hans von Bülow verheiratet war, war die in vielerlei Hinsicht folgenschwerste Entscheidung in Richards Leben, und ohne die vielen Geldbeträge und die vielen guten Worte, die Liszt immer wieder für seinen Schwiegersohn aus- und einlegte, hätte dessen Karriere einen ganz anderen Verlauf gehabt.

Womöglich auch als kleine Reminiszenz an Hengelbrocks Bayreuth-Debüt 2011 erklingen die "Tannhäuser"-Ouvertüre und die Venusberg-Musik aus der Pariser Fassung jener Oper, die entscheidend dazu beigetragen hat, dass sich der kleine Thomas aus Wilhelmshaven schon als Junge zum Opern-Liebhaber entwickelte und die Begeisterung insbesondere für Wagner lebenslängliche Ausmaße annahm.

Liszt war es, der Wagners "Fliegenden Holländer" 1853, zehn Jahre nach der nur verhalten aufgenommenen Uraufführung, durch seine "Modellaufführung" in Weimar auf Erfolgskurs brachte: Wagner hatte dafür detaillierte Anweisungen verfasst, damit jedem Interpreten klar werden konnte, was bei einer Inszenierung im Sinne des Meisters - also richtig - war und was eben nicht. Doch auch ohne dieses historische Hintergrundwissen ist die "Holländer"-Ouvertüre, obwohl ganz ohne Gesangsstimmen, ein musikdramatischer Leckerbissen.

Der andere Teil des Abends geht an Liszt, den genialen Klangfarbenzauberer, den Visionär mit den Virtuosenhänden, dem ganz Europa zu Füßen lag, sobald er sich hinter einen Flügel begab. Dass Liszt über ein Ego verfügte, das nur sehr knapp durch eine Bühnentür passte, wird klar, sobald man die Eingangstakte des 1. Klavierkonzerts hört: Hier bin ich Star, hier will ich's sein, signalisiert der erste Einsatz des Solisten, der sich sofort tief in die Tastatur zu graben hat. Diesen ebenso schweißtreibenden wie dankbaren Part des Es-Dur-Konzerts übernimmt der Pianist Boris Berezovsky, der seit Jahren als temperamentvoller Notenfresser bekannt ist und deswegen international gut gebucht.

Wo viel Licht, da viel Schatten: Seine Faszination für das Jenseitige und Transzendentale hat Liszt in mehreren Kompositionen einfließen lassen, doch wohl in keiner so massiv und manisch virtuos wie in der Totentanz-Paraphrase über "Dies irae" für Klavier und Orchester, die der gregorianischen Melodie aus der Totenmesse einen monumentalen Auftritt liefert. Ähnlich ekstatisch, allerdings ohne Klavier, rast und tobt die Sinfonische Dichtung "Mazeppa" in die Gehörgänge. Liszt, von der dämonischen Bühnenpräsenz des Violinkollegen Paganini berauscht und inspiriert, vertonte darin ein Poem von Victor Hugo über einen Kosaken-Hauptmann, der von Feinden auf sein Pferd gebunden wird und kurz vor seinem Tod in der Steppe Visionen seiner unsterblichen Heldengröße hat. Damit wäre Mazeppa bei Wagner und Liszt unter Gleichgesinnten gewesen.

"Richard Wagner zum 200. Geburtstag" 1.3., 20.00, Laeiszhalle. Karten zu 10,- bis 46,- unter T. 0180/178 79 80 oder www.ndrticketshop.de