Auf dem Friedhof Bergstedt gibt es seit Kurzem einen Extraraum, in dem Angehörige ihre Toten selber waschen können. Ein Ritual, das bei der Trauerarbeit helfen kann.

Trauer um einen geliebten Menschen hat viele Gesichter. Kirchen und Bestatter bieten Hinterbliebenen eine Vielzahl von Abschiedsritualen, die die Trauerarbeit unterstützen sollen. Auf dem Friedhof Bergstedt geht man nun einen ungewöhnlichen Weg: In einem neuen Raum zur hygienischen Versorgung Verstorbener können seit Juli 2008 Angehörige ihre Toten selbst waschen und einkleiden - mit Unterstützung und Begleitung durch einen Bestatter.

Räume wie diesen kennt man aus Fernsehkrimis: weiße Fliesen, ein matter Stahltisch, das Ganze komplett abwaschbar wie in der Gerichtsmedizin. Ein sachlicher, steriler Raum mit angenehmem Licht und guter Lüftung, nur durch eine abschließbare Schiebetür von einem freundlich gestalteten, neuen Abschiedsraum getrennt.

Hier können Verstorbene zum letzten Mal versorgt werden, bevor sie im angrenzenden Abschiedsraum im Sarg aufgebahrt werden.

Gummihandschuhe, Maske und Kittel sind dabei selbstverständlich, denn natürlich müssen Hygienevorschriften eingehalten werden. Der Verstorbene wird mit einer Handdusche und Schwämmen gewaschen, das Wasser kann über einen Abfluss im fahrbaren Tisch abfließen. Haarewaschen, Rasieren, Maniküre, Ankleiden - all diese alltäglichen Dinge können auch Angehörige dort an ihren Verstorbenen vornehmen.

Wenige Menschen hätten bisher dieses Angebot nachgefragt, sagt Friedhofsleiterin Ingrid Hesse. Die Scheu vor toten Menschen sei immer noch groß.

"Dabei ist der Tod nichts Unnatürliches", ergänzt Bestatter Karsten Goedecke. Er hat schon mehrfach Angehörige dabei betreut, ihre Verstorbenen selbst zu versorgen. "Selbstverständlich ist das nichts für jeden. Aber wenn zum Beispiel ein pflegender Angehöriger einen Patienten dreimal am Tag versorgt hat, dann kann man ihm das doch beim Todesfall nicht verbieten", sagt Goedecke.

Sicher nicht, aber sollte man ihn auch dazu ermutigen? Bei Friedhofspastor Olaf Krämer bleibt bei dieser Vorstellung ein Unbehagen. "Ich denke, dahinter steht die durchaus positive Idee der Ganzheitlichkeit. Der Leib gehört zum Menschsein wie die Seele, deshalb hat es auch der Leib verdient, geehrt zu werden. Aber dazu ist auch ein neues Bewusstsein vonnöten, eine Kultivierungsarbeit vonseiten der Kirchen.

Sie haben die seelsorgerische Aufgabe, den Menschen klarzumachen, dass ihre Toten nicht gleich aus ihrem Leben verschwinden müssen, indem man sie in fremde Hände gibt, wie es heute gängige Praxis ist." Auf den Friedhöfen Ohlsdorf und Öjendorf existieren ebenfalls Räumlichkeiten für rituelle Waschungen, ergänzt durch einen neuen rituellen Waschplatz unter offenem Himmel. Diese Einrichtungen werden von Muslimen, Hindus und Afrikanern genutzt, "aber dort ist die rituelle Waschung auch vorgeschrieben und streng geregelt", sagt Lutz Rehkopf, Pressesprecher der Hamburger Friedhöfe. Aber selbstverständlich könnten die Räumlichkeiten der städtischen Friedhöfe von allen genutzt werden, die dies wünschen, ergänzt er. "Wir unterstützen das, was dem Trauerprozess nützt."

In Ohlsdorf und Öjendorf gehe man jedoch andere Wege, um Trauerrituale und ihre Symbole wieder zu verankern. Mit Themengrabstätten versuche man, alte Hoffnungssymbole wieder zu beleben. "Das klassische Beispiel ist die Schmetterlingsgrabstätte", sagt Rehkopf. Diese Angebote würden gut angenommen. "Unsere Überlegung ist stets: Springt dabei ein emotionaler Mehrwert für den Hinterbliebenen heraus?"

Eine durchaus sinnvolle Überlegung: In einer Gesellschaft, in der rund 80 Prozent der Menschen nicht zu Hause, sondern in Krankenhäusern, Heimen oder Hospizen sterben, findet Tod nicht mehr sichtbar statt. "Der Tote taucht dann erst wieder im - meist geschlossenen - Sarg bei der Trauerfeier auf", sagt Pastor Olaf Krämer. Eine offene Abschiednahme wie in Bergstedt würde die Trauerarbeit deutlich verändern. "Möglicherweise kann so der Tod begreiflich gemacht werden und könnte aus seelsorgerlicher Sicht gut für eine gelingende Trauerarbeit sein."

Unabdingbar sei dafür allerdings nicht nur eine fachkundige Begleitung durch einen qualifizierten Bestatter, sondern auch eine gute Vorbereitung der Angehörigen, findet Claus-Dieter Wulf, Vorsitzender des Bestatterverbandes Hamburg. "Nur so kann man Angst und Traumatisierung vermeiden."