Cornelia Bergen traf eine ungewöhnliche Entscheidung, um ihr Lebensglück zu finden. Sie empfing die Jungfrauenweihe.

Erbarme dich deiner Dienerin, die du zum Stand der Jungfräulichkeit berufen hast", bittet Erzbischof Werner Thissen. Regungslos auf dem blauen Teppich vor dem Altar liegend und - als Zeichen der Demut - mit dem Gesicht nach unten, hat Cornelia Bergen in der Hamburger St.-Ansgar-Kapelle die Jungfrauenweihe empfangen. Und sich damit am 7. Mai dieses Jahres für ein geistliches Leben in eheloser Keuschheit entschieden - oder, wie es in der Kirchenordnung heißt, dafür, "in einem sittenreinen, dem Dienst der Kirche und dem Nächsten gewidmeten Leben auszuharren". Auszuharren?

Ein modern denkender Mensch mit eigenem Gestaltungswillen, der schon mit einem Keuschheitsgelübde nicht besonders viel anfangen kann, sondern es eher für antiquiert hält, gerät spätestens hier ins Grübeln. Cornelia Bergen hingegen hat für sich eine neue Klarheit gewonnen - nach einem langen Weg des Suchens zwischen Hoffnungen und Enttäuschungen.

Sie wächst als eine von drei Schwestern in einer konfessionell gemischten Familie auf. Die Mutter und die Kinder sind katholisch, der Vater, ein Berufssoldat, ist evangelisch. Die Familie zieht 1985 von Bayern nach Hamburg. Cornelia schlägt hier Wurzeln, wird Sozialpädagogin. In ihrem Beruf geht sie völlig auf. Zur Kirche hat sie in ihrer Jugend keinen Kontakt. Erst durch ein Seminar während des Studiums fühlt sie sich wieder zu Gott hingezogen und beginnt, neu über die Gestaltung ihres privaten Lebens nachzudenken.

Wie sollte es verlaufen? Ehe oder nicht Ehe? Wenn letzteres, dann wollte sie einen geistlichen Weg einschlagen. "Ich dachte damals, ich hätte eine Berufung zur Nonne, und habe mir verschiedene Orden angesehen, aber nichts Passendes gefunden." Als sie schon fast verzweifeln wollte, empfahl ihr ein Freund, sich einen geistlichen Berater zu suchen.

Und sie fand einen. Nach einem Pontifikalamt in der Domkirche St. Marien sprach sie den damaligen Erzbischof Ludwig Averkamp an. Er hatte ein offenes Ohr für ihren Kummer und erklärte sich zur Hilfe bereit. "Damals war ich 35 Jahre alt, und die geistliche Begleitung dauerte drei Jahre." Währenddessen wurden noch einmal die Orden analysiert, aber ohne Ergebnis für Cornelia Bergen. Wieder war es ihr Freund, der ihr einen Rat gab. Schon nach wenigen Monaten wies er auf die Jungfrauenweihe hin, die an keine Ordensgemeinschaft gebunden ist und kein Armutsgelübde abverlangt. "Das fand ich total passend für mich", sagt Cornelia Bergen.

Diese Eigenständigkeit war es wohl vor allem, die den Ausschlag für die Jungfrauenweihe gab. "Ich bin meine eigene Oberin und muß mich selbst prüfen."

An Gelegenheiten, sich solchen Prüfungen zu stellen, mangelt es bei ihrer Tätigkeit im sozialen Bereich nicht. Als sie eines Tages am Grab einer ehemals von ihr Betreuten stand, stellte sich die Frage, was aus dem halbwüchsigen Sohn nach dem Tod der Mutter werden solle. Marvin wollte bei Cornelia Bergen bleiben, die er schon lange kannte. Seit zweieinhalb Jahren ist Marvin nun ihr Pflegesohn. Weil er sich nicht gern von seiner gewohnten Umgebung, der Schule und den Freunden trennen wollte, gab sie ihre Wohnung auf und zog in sein Stadtviertel. Seinetwegen reduzierte sie ihre Arbeit auf eine Halbtagsstelle. Das bedeutet, daß sie sich als Familienhelferin in der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Rauhen Hauses im ambulanten Bereich immerhin noch um drei Familien mit zusammen zehn Kindern, einen alleinerziehenden Vater mit einem Kind und drei Jugendliche kümmert. Zusätzlich hat sie Aufgaben in ihrer Kirchengemeinde St. Joseph an der Großen Freiheit übernommen und es sich zur Pflicht gemacht, einzugreifen, wenn sie sieht, "jemand hat eine Not".

Cornelia Bergen (39) ist die jüngste der drei in Hamburg lebenden Gott geweihten Jungfrauen. An ihrer rechten Hand trägt sie einen vom Bischof gesegneten Goldring mit einem erhabenen Kreuz. Sie fühlt sich als Braut Christi. Seit sie das Tor der Jungfrauenweihe durchschritten hat, ist sie sehr glücklich "Ich hadere nicht und bin bereit anzunehmen, was kommt."