Ich kam gerade noch rechtzeitig und besetzte den letzten freien Quadratmeter auf dem umfunktionierten Kamerapodest. Vor mir hockten und knieten Kollegen, an den Seiten drängelten sie sich an den Wänden. So überfüllt war der Medienkonferenzraum des Millerntor-Stadions nie zuvor gewesen. Dabei war allen klar, was Präsident Stefan Orth, Sportchef Helmut Schulte, Pressesprecher Christian Bönig und Holger Stanislawski zu verkünden hatten, als sie wenig später das Podium besetzten. Ich selbst hatte zwei Tage zuvor den Abschied von St. Paulis Trainer nach 18 Jahren mit dem Hinweis auf eine Pressekonferenz in dieser Woche verkündet.

Als die Bestätigung am Morgen des 13. April - ein Mittwoch und mein freier Tag - via Pressemitteilung erfolgte, zog ich in der Alsterschwimmhalle meine Bahnen. Erst auf dem Weg aus der Umkleidekabine las ich von der für 13 Uhr anberaumten Pressekonferenz. Es war nur noch die Vollzugsmeldung; doch auch wenn es für mich seit Tagen kein anderes Thema gegeben hatte, begann ich mich erst jetzt in der U-Bahn damit auseinanderzusetzen. Womit ich vorher nachrichtlich-professionell umgegangen war, erhielt plötzlich eine persönliche Note: Er geht tatsächlich!

Längst hatte sich bei mir eine gewisse Melancholie breitgemacht, und als ich die Räumlichkeiten in der Haupttribüne betrat, wurde deutlich, dass ich mich in bester Gesellschaft befand. Schon die Szenerie im Vorraum erinnerte an eine Trauergemeinde. Die Geschäftsstellenmitarbeiter schienen vollzählig vertreten, und unter den Journalisten erkannte ich Gesichter, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Statt sich mit überfreundlichen Begrüßungen zu empfangen, nickte man sich nur kurz zu. Viele hatten Tränen in den Augen, einige weinten. Wer etwas zu sagen hatte, flüsterte. Eine unwirkliche, verstörende Szenerie. Aber es ging - auch mir - darum, jemandem die Ehre zu erweisen, der es sich verdient hatte.

Dann kam er: Holger Stanislawski, überwältigt von dem Aufkommen. Orth und Schulte folgten mit ernstem Blick im Windschatten, und die Gesichtsfärbung Christian Bönigs verbat, allein von rot geweinten Augen zu sprechen. Während Stanislawskis 35-minütiger Abschiedsrede ließ der Pressesprecher seinen Tränen freien Lauf, und auch im Plenum fielen jegliche Hemmungen. Menschen, die sonst im Wettstreit um Nachricht und Story tagtäglich Stärke demonstrieren müssen, teilten intimste Emotionen. Stanislawski musste mehrfach innehalten. Immer wieder riss er sich zusammen, bedankte sich bei ausgewählten Weggefährten und kämpfte tapfer mit seiner Stimme und gegen die Tränen, die ihn am Ende dann doch überkamen: "Wie sich das für einen ewigen Hamburger gehört, sage ich mal Tschüs. Tschüs, bis bald. Danke."

Momente, die auf Außenstehende pathetisch wirken mögen. Doch mit seiner Abschiedspressekonferenz unterstrich Stanislawski noch einmal seine vielleicht größte Stärke: Menschen zu begeistern, zu bewegen, zu berühren.