Es ist dieser ohrenbetäubende Knall, der bis heute nachhallt. Der das Leben von Hunderten Hamburgern in ein Davor und ein Danach teilt. Auch meines. Es sind diese Bilder, die bis heute nicht aus dem Kopf verschwinden.

Der 12. März 2011 war - vorfrühlingshaft mild, sonnabendlich unbeschwert - ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Bis 16.44 Uhr. Bis er zu einem Tag wie aus einem Horrorfilm wurde. Mit der Sekunde, als ein silbergrauer Kleinwagen auf die Kreuzung Eppendorfer Landstraße/Lehmweg rauschte. Schnell. Rasend schnell. So schnell, dass weder mein Freund noch mein Bruder oder ich den Polizisten eine halbe Stunde später mit Gewissheit würden sagen können, aus welcher Richtung der Wagen mit dieser tödlichen Wucht angeschossen kam.

Aus dem Augenwinkel hatte ich das Fahrzeug gesehen, doch mein Blick wanderte zwischen der noch roten Fußgängerampel an der Ecke Lenhartzstraße/Eppendorfer Landstraße und meinen beiden Begleitern hin und her. Ob man jetzt vielleicht ins Holi gehen wolle, fragte ich. "The King's Speech" anschauen, oscarprämiert, soll gut sein.

Dann plötzlich dieser Knall. Das silberfarbene Auto krachte vor unseren Augen in ein dunkelgrünes Golf Cabriolet, hob ab, überschlug sich, wie in Zeitlupe. In der Menschentraube, die an der Fußgängerampel schräg gegenüber wartete, nahm ich eine junge Frau wahr, die ihr Baby fest an sich drückte. Das Fahrzeug schlug auf. Totenstille. Für den Bruchteil einer Sekunde, die sich anfühlte wie eine Ewigkeit.

Handy raus, Notarzt rufen, Leitung besetzt. Mein Bruder schmetterte sein Fahrrad zu Boden: "Ich glaube, ich muss da mal hin", sagte er und sprintete los. Ein Impuls, dem zeitgleich auch drei seiner Ärztekollegen vom UKE folgten, die jeweils mit ihren Familien irgendwo im Umfeld der Kreuzung unterwegs gewesen waren. Ich spürte, wie ein Zittern meinen Körper erfasste. Ich stand wie angewurzelt da. Schockstarre heißt das wohl. Vor uns verließ ein Paar den Golf. Den Mann, den kenne ich doch, dachte ich noch. Peter Striebeck. Rettungswagen und etliche Streifenwagen rasten aus allen Richtungen heran, die ersten Reporter trafen ein. Auch unsere Redaktion war schon informiert.

Mein Bruder kehrte zurück, Blut an den Händen. Eine Frau sei wiederbelebt worden, sagte er, aber es sehe alles ganz fürchterlich aus. Zerdrückte Fahrräder lägen herum, ein einzelner Schuh.

Wir gingen in die Wohnung meines Bruders, tranken Tee, lasen auf abendblatt.de die ersten Informationen. Drei Tote habe es gegeben, hieß es zunächst.

Am folgenden Morgen, als ich in der Redaktion mit zwei Kollegen den Bericht über "einen der schlimmsten Verkehrsunfälle in der Geschichte der Stadt", wie die Polizei uns mitgeteilt hatte, vorbereitete, sind es vier Tote.

Diesen 12. März 2011, da geht es mir wie vielen anderen Augenzeugen, werde ich nie vergessen können. Und den Knall, den auch nicht.