Bis zum 11. Februar kannte ich den Uno-Sicherheitsrat in New York allein aus dem Fernsehen. Nun saß ich im Gebäude der Vereinten Nationen und blickte von der Zuschauertribüne auf das berühmte Halbrund - und auf einen weiteren Neuling im Saal: Außenminister Guido Westerwelle. Ich hatte ihn zusammen mit anderen Journalisten in die USA begleitet, um seine erste Rede im höchsten Gremium der Welt zu verfolgen. Westerwelle sprach die Lage im Nahen Osten an und appellierte an Ägypten, sich Reformen zu öffnen. Ich dachte mir zuerst nichts dabei, als Westerwelles Büroleiter Thomas Bagger ihm danach einen Zettel reichte. Westerwelle hielt es nun nicht mehr auf dem Stuhl. Warum verließ er den Saal? Auf der Tribüne sprach es sich herum: "Mubarak ist zurückgetreten!" Kurz danach formulierte Westerwelle vor dem Sitzungssaal seine Reaktion in die Kameras, pünktlich für die Tagesschau.

Der Minister entschied, seine Auslandsreise zu verlängern und der Arabellion seinen ersten Besuch abzustatten. In Ägypten war die Lage zu instabil, aber in Tunesien, wo der Umbruch im Nahen Osten seinen Anfang genommen hatte, konnte Westerwelle Vertreter der Übergangsregierung treffen. So fand ich mich einen Tag später unversehens in Tunis wieder und sah den arabischen Frühling: Es war der bislang wärmste Tag des Jahres in der tunesischen Hauptstadt. In Scharen zog es die Menschen auf die Terrassen der Cafés. Auf der Avenue Habib Bourguiba, einerLebensader der Stadt, erinnerten nur noch Stacheldraht und vereinzelte Panzer an die Proteste, die Machthaber Ben Ali vier Wochen zuvor aus dem Land getrieben hatten. Jetzt genoss der Widerstand gegen das diktatorische Regime die Freiheit bei blauem Himmel und Cappuccino. Gegenüber dem streng bewachten Innenministerium machte die Benetton-Filiale wieder Umsätze. Eine Normalität hatte Einzug gehalten, die ich so nicht erwartet hatte.

Der Tag endete für die Delegation einige Kilometer weiter im Palast des geflohenen Diktators. Hier plante Interimsministerpräsident Mohammed Ghannouchi freie Wahlen. Die Stille im Palast war gespenstisch. Das Lebensgefühl des Landes wurde jetzt woanders bestimmt: auf den Straßen.