Pflaster, Bänder oder Ingwertee? Was gegen die gefürchtete Seekrankheit wirklich hilft

Es begann, wie es bei mir immer beginnt: mit mehrmaligem herzhaften Gähnen. Die elegante "Hanseatic" hatte gerade den Hafen von Rouen in der Normandie verlassen und stampfte munter die Seine hinunter in Richtung Ärmelkanal. Es gab keinen hohen Wellengang, allerdings leichte Seitwärts-Schwankungen, das sogenannte Rollen. Was vortrefflich dazu geeignet ist, den menschlichen Gleichgewichtssinn zu verwirren. Also machte ich das Übliche: tief durchatmen und den Horizont fest im Blick behalten. Das ist ein wirklich guter Tipp, der auch sicher funktioniert, solange man nicht beim Horizont begucken permanent daran denken muss, dass einem bestimmt gleich übel werden wird. Also habe ich mich eilig vom Horizont verabschiedet und mich zur Rezeption begeben, um dort um ein Zäpfchen gegen Seekrankheit zu bitten.

Und da stand sie plötzlich neben mir. Schmal, klein, fast winzig. Bitte glauben Sie mir, dass ich über das Alter einer Dame grundsätzlich schweige, aber zum Verständnis der Situation ist hier eine gewisse Aufklärung vonnöten: Die Passagierin, die mich an der Rezeption der "Hanseatic" mit kritischem Blick musterte, war mindestens 90. Aber sie hatte eine sehr resolute, vom Konsum vieler Zigaretten rauchige Stimme. Diese Stimme sagte zu mir: "Schätzchen, du brauchst kein Zäpfchen, du brauchst eine richtige Frau ..."

Wenn mir heute auf einem Schiff blümerant wird, denke ich zurück an diese Szene vor über zehn Jahren und schon geht es mir wieder besser. Was ich daraus gelernt habe, ist, dass sich Seekrankheit vor allem im Kopf abspielt. Und dass Lachen hilft. Die meisten Kreuzfahrtschiffe sind heutzutage ohnehin in ruhigen Gewässern unterwegs, und in vielen Fällen gleichen hochmoderne Stabilisatoren alle Schwankungen aus. Wer allerdings einen empfindlichen Magen hat oder auch einfach nur Angst vor Seekrankheit, kann entsprechend vorbeugen.

Viele positive Erfahrungsberichte gibt es über "Seabands", elastische Stoff-Armbänder, die an beiden Handgelenken getragen werden. Dabei übt ein im Armband eingewebter Kunststoff-Knopf dauerhaft Druck auf einen Punkt im Handgelenk aus - ähnlich der traditionellen Akupressur. Eine gute Alternative zu den gängigen chemischen Medikamenten gegen Seekrankheit, die einen fast alle müde machen. Viele Hochseesegler schwören auf Ingwer - als Tee, pulverisiert in Kapseln oder roh in feinen Scheiben. Für eine Kreuzfahrt eignen sich vor allem die Kapseln mit Ingwer-Pulver, die es rezeptfrei in der Apotheke gibt.

Amerikanische Passagiere sieht man oft mit kleinen Pflastern hinter dem Ohr. Das sieht harmlos aus, ist es aber nicht. Pflaster gegen Seekrankheit enthalten den Wirkstoff Scopolamin, ein Anticholinergikum, das direkt auf das vegetative Nervensystem wirkt. Um völlig benebelt wie ein Zombie über Deck zu wandeln, geht man sicherlich nicht auf ein Kreuzfahrtschiff. Wer auf starke Medikamente setzt, sollte deshalb vorher seinen Arzt befragen. Das einzig Gute an einer Seekrankheit ist, dass sie genau so fix vorüber ist, wie sie angefangen hat. Sobald sich das Meer beruhigt, lässt die Übelkeit nach. Und auf geht's zum Gala-Dinner ...