15 Studierende des Fachbereichs Flugzeugbau entwickelten mit dem AC 20.30 ein flugfähiges Modell eines Nurflüglers - hier liegt die Zukunft.

Ihr Forschungsinteresse gilt der Zukunft des Fliegens. Das Team aus 15 Studierenden des Fachbereichs Flugzeugbau an der HAW Hamburg hat bereits Großes geleistet. Sie entwickelten mit dem Blended Wing Body Aircraft BWB AC 20.30 ein flugfähiges Modell eines Nurflügelflugzeugs, wie es zukünftig im Cargo- oder Passagierflug zum Einsatz kommen könnte.

"Wenn unser Modellbaupilot, immerhin ein ehemaliger Europameister im Modell-Kunstflug, die Maschine startet, haben wir noch immer alle feuchte Hände", sagt der studentische Teamleiter Stefan Schwart. Man habe vorab im Windkanal und in der Werkstatt zwar intensiv getestet, um die Strömungsverhältnisse kennenzulernen. Die Flugeigenschaften des eigenwilligen Fluggeräts seien aber auch für Profis eine Herausforderung.

Dem gelungenen Jungfernflug im April dieses Jahres ging eine lange Entwicklungs-, Planungs- und Bauphase voraus. Das BWB-Projekt gibt es an der HAW bereits seit dem Jahr 2000. Mittlerweile arbeitet die zweite Generation von Studierenden daran. Einer derjenigen, die am längsten dabei sind, ist Arne Gläß. "Ich engagiere mich seit 2007 in dem Projekt. Wir haben in diesen vier Jahren ein komplett neues Modell hergestellt." Und das während der raren Freizeit, die während des straffen Bachelor- oder Masterstudiums noch bleibt, denn studienrelevant ist diese Arbeit nicht.

"Das, was bei uns innerhalb eines Jahres passiert, würde in der Industrie wohl nur wenige Woche brauchen", sagt Gläß und lacht. Dafür steckt in dem professionellen Modell neben sehr viel Eigenleistung auch viel Leidenschaft. Die braucht es auch, denn das von Sponsoren und Hochschule bereitgestellte Budget für die Neuentwicklung liegt lediglich bei rund 100 000 Euro.

Für die Studierenden hat die Arbeit am AC 20.30 viele spannende Momente. "Wir haben damit eine Möglichkeit, unser Wissen aus dem Studium praktisch umzusetzen", sagt Gläß. Viele Kommilitonen interessierten sich von Natur aus für Flugzeuge und möchten so schnell wie möglich an die Flugzeugentwicklung heran. Der BWB biete etwas, was man sonst wahrscheinlich nie wieder machen könne. "Wir sind ja eine praxisorientierte Hochschule", ergänzt Team-Mitglied Volker Schüller. "Man kann sich Inhalte zwar theoretisch erschließen, aber es ist wichtig, auch ein Gefühl für das zu bekommen, was man berechnet - das geht hierbei ganz gut."

Innerhalb der Gruppe werden unterschiedliche Forschungsschwerpunkte verfolgt. Arne Gläß etwa hat sich gemeinsam mit zwei weiteren Kommilitonen der Kabinenentwicklung gewidmet. "Das Kabinendesign ist eine absolute Herausforderung. Da die Passagiere auch sehr weit von der Drehachse des Flugzeugs entfernt sitzen werden, müssten sie bei Kurvenflügen große Beschleunigungen aushalten. Außerdem stellt sich die Frage, wie groß Kabinensektionen sein dürfen, damit sich Passagier nicht verloren fühlen." Das Wichtigste sei aber gewesen, die Regeln der Luftfahrtbehörden bei den Planungen zu berücksichtigen. So müsse die Maschine beispielsweise in 90 Sekunden über eine Seite evakuierbar sein.

Die studentischen Luftfahrt-Pioniere werden in der Fachwelt durchaus ernst genommen. Dafür sorgen zudem die professionelle Öffentlichkeitsarbeit und Sponsorenwerbung, die das Team organisiert. "Die Flugzeugfamilie weltweit ist sehr klein, und wir waren schon auf zahlreichen Ausstellungen und Messen", sagt Arne Gläß. "Wie etwa auf der Paris Air Show, auf der ILA in Berlin oder der Aircraft Interiors Expo in Hamburg. Sogar in Asien und den USA wurde das Modell schon gezeigt." Die Meinungen zu dem Projekt seien überwiegend positiv. Es gebe viele, die die Studierenden sogar für visionäre Ingenieure und Forscher hielten. "Vor einiger Zeit besuchte uns die Chefingenieurin von Boeing Deutschland. Boeing entwickelt derzeit ein Nurflügelflugzeug in Sevilla", sagt Volker Schüller.

Als Nächstes stehen für das Team und ihre Modell weitere Testflüge auf dem Programm. "Wir haben eine Messsonde in der Spitze eingebaut, mit der wir Strömung, Windrichtung und Temperatur messen können. Mit den Daten hoffen wir, die Theorie, die wir an konventionellen Flugzeugen gelernt haben, auch an diesem Flugzeug verifizieren zu können." Die Umsetzung werde nicht ganz leicht sein, prognostiziert Sebastian Krause. "Die Erfahrungswerte gelten für das System Röhre/Tragfläche und nicht für Flugzeuge, bei denen auch der Rumpf zum Auftrieb beiträgt. Genau das ist aber auch das Spannende."

Die Gruppe, die an der HAW von Professor Werner Granzeier geleitet wird, steht dabei immer auch im fachlichen Austausch mit dem Department für Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau. "Es gibt ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zwischen uns und den Professoren", sagt Arne Gläß.

Der BWB AC 20.30 sei deshalb auch eine hervorragende Ergänzung zum Studium. Man müsse sich mit Fragestellungen beschäftigen, wie sie in den normalen Vorlesungen nicht vorkämen, sehr wohl aber in der zukünftigen Luftfahrt vorkommen könnten. Gut für die engagierten angehenden Flugzeugbauer und gut für das Renommee der Hochschule, die damit bereits seit zwölf Jahren einen weltweit beachteten Werbeträger ihr Eigen nennen kann.