Ein Job im Botanischen Garten der Uni Hamburg: Beim Gemüseanbau hat Lydia Thießen freie Hand. In die Aufgabe ist sie hineingewachsen.

"Nur ein Beruf, bei dem ich draußen sein kann, macht mich glücklich", sagt Lydia Thießen. Die 39-Jährige wusste schon als Kind, dass sie nie in einem Büro würde arbeiten wollen. Heute ist sie Gärtnerin im Botanischen Garten in Klein Flottbek, verantwortlich für den Nutzpflanzengarten. Bis dahin war es jedoch ein langer Weg: "Nach der Schule habe ich verschiedene Sachen ausprobiert, doch sie machten mir alle keinen Spaß", sagt sie. "Durch Zufall traf ich dann auf eine Frau, die den Botanischen Garten kannte und davon schwärmte, wie schön es dort sei. Ich sah mir das Gelände an und war sofort begeistert. Ich bewarb mich und hatte das große Glück, hier 1992 eine Ausbildung machen zu können."

Doch Azubis im Botanischen Garten werden nach der Lehre nicht übernommen. Erst 1997 kam die Frau mit den blonden, windzerzausten Haaren und dem fröhlichen Lachen zurück, eigentlich erst mal nur als Aushilfe. Aber Lydia Thießen blieb: "Als der Gärtner, der den Nutzpflanzengarten betreute, eine andere Aufgabe übernahm, habe ich sofort zugegriffen, denn ich wollte unbedingt hierbleiben", sagt sie. Dabei hatte sie die Nutzpflanzen als die am wenigsten attraktive Aufgabe empfunden: "Ich kannte das alles schon, schließlich bin ich auf dem Land groß geworden", sagt Thießen. "Ich dachte: 'Dies ist immerhin der Botanische Garten. Hier wachsen seltene und interessante Pflanzen aus der ganzen Welt! Was soll ich da mit Gemüse'?"

Lydia Thießens Eltern sind Bauern in Dithmarschen, sie bauen Kohl und andere Nutzpflanzen an. "Durch meine Kindheit habe ich eine unglaublich starke Verbindung zur Natur", sagt sie. "Ich fand es zwar immer schrecklich, in den Nachrichten zu hören, was auf der Welt zwischen den Menschen passiert. Mich interessieren aber zum Beispiel viel mehr die Jahreszeiten. Das Aufspringen der Knospen im Frühling, das Reifen im Sommer. Im Herbst wird geerntet, im Winter geruht. Jede Zeit für sich ist wichtig."

Im Lauf der Jahre ist sie hineingewachsen in ihre Aufgabe, die Nutzpflanzen zu betreuen. "Es gibt nichts existenziell Wichtigeres für uns Menschen als das, was wir essen. Das ist unser erster und unmittelbarster Kontakt mit der Natur."

Heute ist die Gärtnerin auch verantwortlich für den Giftpflanzengarten und den Obstgarten der "Grünen Schule", ein Holzhaus mit einem Schulungsraum, der für Seminare und Lehrveranstaltungen genutzt wird. Doch am meisten Aufwand und Pflege braucht der Nutzpflanzengarten mit all seinen Facetten des Nutzgartens: Sie sucht die Pflanzen aus, bestellt die Samen, bestimmt die Standorte. Sie sät aus, beschneidet, düngt und erntet.

Lydia Thießen will Besuchern einen Überblick aller für den Menschen in diesen Breitengraden wichtigen Nutzpflanzen geben, das schließt essbare Pflanzen genauso ein wie solche, die für die Fasergewinnung nützlich sind, zum Beispiel die Baumwolle.

Der Garten umfasst ein Areal von rund 1000 Quadratmetern und ist in rechteckige Parzellen aufgeteilt, zwischen denen schmale Pfade verlaufen. "Es ist ein Schaugarten", erklärt Thießen, "derzeit wachsen hier 52 Gattungen und Arten, zum Beispiel verschiedene Kohl- und Kartoffel-Arten." Das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln gibt lediglich die Gattungen vor, sie selbst kann entscheiden, welche Arten sie pflanzt. "Ich habe da völlig freie Hand. Jedes Jahr suche ich neu aus, was ich interessant finde."

Für Pflege, Ernte und Planung, was wann, wie und wo geschehen müsse, sei Erfahrung nötig, vieles habe sie erst mit der Zeit gelernt. Thießen ist seit 14 Jahren für diesen Garten verantwortlich, mittlerweile ist sie hineingewachsen in die komplexen Abläufe. "Jeder Gärtner, der eine Fläche betreut, gibt ihr seine eigene Handschrift", sagt sie.

Besonderes Augenmerk legt Lydia Thießen auch auf die Qualität des Bodens: "Ich verzichte auf Pestizide oder künstlichen Dünger, der wird ohnehin nur ausgewaschen und belastet das Grundwasser. Stattdessen benutze ich organischen Dünger wie Pferde- oder Kuhmist und Pflanzenreste, die ich zerschneide und den Winter über liegen lasse. Erst im Frühjahr muss alles runter. Auf diese Weise wird der Boden langfristig aufgewertet, und die Pflanzen sind gesund und kräftig."

Sie ist dankbar, dass der Boden so viel hergibt. Ein Regenschauer, und schon sprießt es: "So eine Fülle! Man wird philosophisch, wenn man mit der Erde arbeitet. Ich möchte nichts anderes tun. Ich habe jetzt hier, was ich als Kind immer wollte."