Eine neuseeländische Firma wandelt Kläranlagenabwasser und Fäkalien in Flugzeugkerosin um. Die Fluggesellschaft Air New Zealand zeigt starkes Interesse an dem Verfahren

Aus den Fäkalien und Abwässern dieser Welt machen wir Sprit für Flugzeuge und Autos." So stellt der Geschäftsführer der Firma Aquaflow in Neuseeland, Nick Gerritsen, das von seiner Firma hergestellte Produkt gern vor. Die Fluggesellschaft Air New Zealand hat daher triftige Gründe, mit Aquaflow zusammenzuarbeiten: Sie möchte ihre Flotte möglichst nachhaltig mit Treibstoff versorgen.

Alternativen zum Kerosin aus Erdöl wie Antriebe mit Wasserstoff oder mit diversen Speichern für elektrische Energie aber sind voraussichtlich noch für einige Jahrzehnte viel zu schwer für den Einsatz in Jets. Herkömmliches Bio-Kerosin wird aus Energiepflanzen gewonnen, die entweder mit dem Anbau von Lebensmitteln konkurrieren oder die letzten Naturreservate der Erde gefährden. Also bleiben zwei Alternativen: Bio-Kerosin könnte aus biologischen Abfällen wie Restholz oder Stroh gewonnen werden. Oder es wird aus Algen hergestellt, die in großen Tanks platzsparend wachsen. Genau diese beiden Möglichkeiten kombiniert Aquaflow - und löst damit gleichzeitig ein Problem, das Menschen in vielen Regionen der Welt auf den Nägeln brennt.

In der Kläranlage von Blenheim in Neuseeland landen zum Beispiel die Abwässer der 14 000-Einwohner-Stadt sowie der vielen Weinbaubetriebe aus der Region Marlborough in insgesamt 60 Hektar großen Klärteichen. Natürlich vorkommende Algen vermehren sich dort mithilfe der Nährstoffe aus den Fäkalien, Abfällen der Weingärten und Waschmitteln im kräftigen Sonnenschein des Südpazifiks stark. "Früher flossen jedes Jahr fünf Milliarden Liter dieser Algenbrühe in den nahen Pazifik", erklärt Nick Gerritsen. Die vielen Algen aber veränderten das Leben im Ozean und brachten die Naturschützer des Landes gegen diese Praxis auf. Trocknet man jedoch diese Brühe und verfeuert den Klärschlamm in Kraftwerken, kostet das stattliche Summen, während die Klimabilanz eher dürftig ausfällt, weil das Trocknen ebenfalls eine nicht geringe Menge an Energie verschlingt.

"Erdöl entstand vor vielen Jahrmillionen aus ähnlichen Algen, die heute in vielen Klärteichen der Welt wachsen", erklärt Nick Gerritsen den Ursprung seiner Überlegungen. Da lag natürlich ein Gedanke sehr nahe: "Könnte man nicht die Bildung von Rohöl mit moderner Technik nachahmen?" Seit 2005 hat Gerritsen mit Aquaflow diese Technik entwickelt. Inzwischen kann Blenheim mit seinem Abwasser und den Algen das Angenehme mit dem Umweltnützlichen verbinden: Geld verdienen, die Abhängigkeit von teuren Erdöl-Importen mindern und gleichzeitig Gutes für die Umwelt tun. Chemiker und Verfahrenstechniker wie Paul Dorrington und Leith Pemberton setzten diese Idee im zwei Autostunden von Blenheim entfernten Gewerbegebiet der 14 000-Einwohner-Stadt Richmond in die Praxis um. Das Ergebnis steht in Form eines blau lackierten, zwölf Meter langen Containers neben den Klärteichen von Blenheim. Dort flocken von den Wissenschaftlern bei Aquaflow entwickelte Biochemikalien in einer Stunde die meisten Algen aus rund 50 000 Litern durchfließenden Wassers aus den Teichen. Aus dem Container fließt anschließend so sauberes Wasser, dass damit die Weinberge in Marlborough bewässert werden können. "Wir arbeiten an einer Verbesserung der Technik, um Trinkwasserqualität zu erreichen", erklärt Paul Dorrington. Damit sollte das Verfahren in Zukunft nicht nur die Lage in Neuseeland verbessern, sondern auch die Trinkwasserprobleme in vielen Regionen der Welt lösen können.

Die Schritte bis zum Flugzeug-Kerosin aber funktionieren schon heute. Aus dem blauen Container extrahieren die Ingenieure eine Algenpaste, die anschließend in Richmond in einem "Pyrolyse" genannten Prozess weiterverarbeitet wird. Der ganze Prozess ähnelt der Entstehung von Erdöl in der Natur: Dieses bildet sich tief unter dem Meeresgrund bei höheren Temperaturen und starkem Druck in einigen Jahrmillionen. Um den Prozess zu beschleunigen, verschärfen die Ingenieure die Bedingungen. Sie arbeiten bei Temperaturen zwischen 250 und 450 Grad Celsius und einem 50- bis 100-fachen Überdruck. Dabei entsteht "überkritisches Wasser", bei dem die physikalischen Unterschiede zwischen flüssigem Wasser und Wasserdampf verschwinden. So entsteht in wenigen Stunden aus der Algenpaste Rohöl. An einem Tag gewinnt die Kleinstadt Blenheim inzwischen 300 oder 400 Liter Rohöl aus ihren Klärteichen. Das unterscheidet sich in der Qualität kaum von Öl, das aus dem Persischen Golf stammt. In einer Raffinerie können daraus die gleichen Produkte wie aus herkömmlichem Erdöl hergestellt werden. Kerosin der höchsten Qualitätsstufe für Flugzeuge zum Beispiel, aber auch teure Chemikalien für die chemische Industrie oder die Herstellung von Medikamenten und Kosmetika. Obendrein entstehen im Konverter auch leichtflüchtige Substanzen wie Methan, die als Erdgas verkauft werden können. Der Clou dieser Technik aber ist die enorm verbesserte Klimabilanz: Beim Verbrennen von Kerosin aus diesem Algen-Rohöl entstehen genau die gleichen Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, die vorher von den Algen beim Wachsen aus der Luft geholt wurden. Genau deshalb arbeitet Air New Zealand mit Nick Gerritsens Aquaflow zusammen: Die Abwässermengen Neuseelands sind immerhin ausreichend, um zehn Prozent des benötigten Kerosins liefern zu können, die der inländische Flugverkehr in den Triebwerken verbrennt. Und das ist immerhin ein erster Schritt zur Nachhaltigkeit im Flugverkehr.