Frühe italienische Meister aus der Sammlung des Lindenau-Museums

In der Zeit um 1300 begann in den italienischen Kunstzentren Florenz und Siena eine Entwicklung, die die gesamte westeuropäische Malerei erheblich verändern sollte. Die Bilder, die das biblische Geschehen und das Wirken der Heiligen bis dahin feierlich, raum- und zeitlos in einer überirdischen Welt dargestellt hatten, begannen sich zu verändern.

Das geschah zunächst nur behutsam und allmählich, doch im Lauf der folgenden zweieinhalb Jahrhunderte brach die Lebenswirklichkeit der damaligen Menschen immer stärker in die bis dahin so sakrale Sphäre der Malerei ein. Obwohl sich die Themen zunächst kaum veränderten und auch weiterhin biblische Motive oder Heiligenlegenden zum Inhalt hatten, wurden die Bilder diesseitiger. Das Mittelalter war vorüber, die Gotik wurde durch eine Ära abgelöst, die man später als Renaissance bezeichnen sollte.

"Die Erfindung des Bildes. Frühe italienische Meister bis Botticelli" heißt die neue Schau im Bucerius Kunst Forum, die wie die hier schon zuvor gezeigten Ausstellungen zur Gotik, zum Barock und zum Manierismus eine ganze kunstgeschichtliche Epoche anhand herausragender Werke dokumentiert und nachzeichnet.

Zu sehen sind etwa 40 frühe italienische Gemälde, die alle aus einer hoch bedeutenden, einer größeren Öffentlichkeit erstaunlicherweise aber kaum bekannten deutschen Kunstsammlung stammen: Anfang der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts reiste der sächsisch-thüringische Politiker und Gelehrte Bernhard August von Lindenau nach Italien und kaufte in großem Maßstab "vorraffaelitische Malerei".

1845 eröffnete er in seiner Heimatstadt Altenburg, der Residenz des Herzogtums Sachsen-Altenburg, ein Museum sowie eine Kunst- und Gewerbeschule. Heute verfügt das Lindenau-Museum Altenburg mit einer Zahl von 180 Tafeln über die deutschlandweit größte und bedeutendste Sammlung italienischer Malerei der Vor- und Frührenaissance.

500 bis 700 Jahre alte Holztafeln sind selten, besonders kostbar, fragil und werden normalerweise nur sehr ungern für Ausstellungen verliehen. Daher hat die Kooperation, die das Lindenau-Museum Altenburg, seit 1876 in einem repräsentativen Gebäude, mit dem Bucerius Kunst Forum eingegangen ist, besonderen Stellenwert. "Diese herausragende Sammlung macht es uns möglich, die Entwicklung der italienischen Frührenaissance in einer Epochenausstellung vorzustellen, wie es sonst kaum möglich gewesen wäre", sagt Dr. Michael Philipp, der Kurator des Bucerius Kunst Forums.

Die Ausstellung beginnt mit vier noch spätmittelalterlichen Fragmenten eines Altarwerks, das für den Dom zu Siena bestimmt war. Die Werkstatt des Guido da Siena schuf diese Gemälde in der Zeit von 1270 bis 1280. Der Goldgrund ist noch obligatorisch, davor sind flächenhafte Figuren zu sehen, die noch ganz in byzantinischer Tradition dargestellt sind.

Ein weiter Bogen zieht sich bis ins späte 15. Jahrhundert, zu Bildern wie dem Bildnis einer jungen Frau im Profil, das Sandro Botticelli 1475 geschaffen hat. Ihr Gesicht ist fein modelliert, der Faltenwurf ihres Ärmels genau ausgearbeitet, den Hintergrund bildet der Ausblick auf eine Flusslandschaft mit Brücke und eine Bergkette. Erst in späterer Zeit wurde ein transparenter, fast immaterieller Heiligenschein über ihrer raffinierten Frisur hinzugefügt.

Botticellis Bild ist ganz und gar diesseitig, längst hat sich der Maler aus den himmlischen Sphären verabschiedet. Die Entwicklung lässt sich an einer Reihe bestimmter Merkmale recht gut erkennen: Der Goldgrund wird aufgegeben, die Heiligenscheine sind nur noch angedeutet, Raum und Perspektive spielen eine immer größere Rolle ebenso wie die Modellierung der Körper. Und schließlich werden die Gemälde immer stärker von ausschmückenden Details bestimmt. Und von dem Bemühen, architektonische und landschaftliche Zusammenhänge darzustellen.

"Vom späten 13. bis zum späten 15. Jahrhundert löst sich das Gemälde allmählich aus den bis dahin bestimmenden Zusammenhängen in Altären, Freskenzyklen oder Buchillustrationen und wird damit autonom", sagt Ausstellungskurator Dr. Philipp. Diese kunsthistorisch so folgenreiche Entwicklung bringt er auf den folgenden Nenner: "Das Kultbild wird zum Abbild der Wirklichkeit."

Die Erfindung des Bildes. Frühe italienische Meister bis Botticelli 1.10.2011 bis 8.1.2012, Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, tägl. 11.00-19.00, Do 11.00-21.00