Sportchef Frank Arnesen kostete keine Ablöse, ist aber der wichtigste HSV-Neuzugang

Hamburg. Findige HSV-Fans, die sich einen Überblick über alle aktuellen HSV-Neuzugänge machen wollen, schauen gerne auf dem gut sortierten Internetportal transfermarkt.de nach. Dort sind fein säuberlich die Neu-Hamburger Per Ciljan Skjelbred, Michael Mancienne, Gökhan Töre, Jeffrey Bruma und Jacopo Sala gelistet. Der eigentliche Königstransfer des HSV in dieser Saison, eine 54-jährige "Hümörbombe" aus Dänemark, fehlt dort allerdings.

Frank Arnesen, akkurater Seitenscheitel, sympathisches Dauergrinsen und ausgeprägte Lachfalten, kokettiert gerne damit, der "teuerste Sportdirektor der Welt" zu sein. Fünf Millionen Euro hat der FC Chelsea einst an Tottenham Hotspur überwiesen, um den vielleicht besten Talentspäher Europas an die Stamford Bridge zu lotsen. Sechs Jahre ist das nun her, aber seit diesem Sommer dürfte Arnesen der teuerste Sportchef der Bundesliga sein. Mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr lassen sich die Hamburger die Dienste des Skandinaviers kosten, von dem nicht mehr und nicht weniger als die völlige Umstrukturierung des HSV bei schnellstmöglichem Erfolg erwartet wird. "Wir werden keine großen Summen zur Verfügung haben. Deswegen brauchen wir gute, kreative Ideen", sagt Arnesen, der in diesem Sommer weniger Geld ausgeben durfte als Chelsea seinerzeit an Tottenham überwies.

Der gebürtige Kopenhagener brauchte aber auch ohne zugkräftige Stareinkäufe nicht lange, um die Herzen der HSV-Anhänger zu erobern. Auf dem Fanabend im Rahmen des Trainingslagers im Zillertal war Arnesen einer der Letzten aus dem HSV-Tross, der sich im direkten Dialog mit den Fans auf die schmalen Bierbänke zwängte. Die Wünsche der Anhänger hörte er sich geduldig an, ließ sich auch nicht von dem aus Hamburg importierten Schmuddelwetter irritieren. "Ich bin es gewohnt, dass viel von mir erwartet wird", sagte der vierfache Familienvater, der die Rolle des Hoffnungsträgers gerne annimmt. In einer Ausgabe der "Supporters News" wurde Arnesen kürzlich sogar als Engel mit Flügeln gezeichnet. So ähnlich sieht also der Erlöser aus, der früher oder später Hamburgs schon 24 Jahre währende titellose Zeit beendet.

Bevor der sympathische Däne aber tatsächlich einen Platz auf dem Hamburger Rathausbalkon für seine neue Mannschaft reservieren darf, galt es in diesem Sommer zunächst den wohl größten Umbruch der Vereinsgeschichte voranzutreiben. Neuer Sportchef, neuer Trainer, neuer Vorstand und vor allem eine rundum erneuerte Mannschaft - mehr neu geht nicht. Auf der Suche nach frischen, noch unverbrauchten Verstärkungen bediente sich Arnesen, der laut dem früheren dänischen Nationaltrainer Sepp Piontek ein Notizbuch hat, in dem jedes Talent Europas vermerkt ist, vor allem in der Nachwuchsabteilung seines ehemaligen Arbeitgebers. Mit Bruma, Mancienne, Töre und Sala brachte Chelseas früherer Sportdirektor gleich vier Toptalente aus England mit nach Hamburg.

Der günstige Großeinkauf in London bescherte Arnesen allerdings nicht nur Applaus. Einfalls- und Ratlosigkeit wurden ihm von kritischen Anhängern vorgeworfen. Dabei hat der neue Macher des HSV lediglich eingelöst, was er zuvor versprochen hatte: den HSV zu verjüngen, zu verbilligen und eine echte Einheit zu formen. "In den vergangenen Jahren wurde viel zu sehr nach Namen gekauft, auf Alter oder Charakter der Spieler wurde dagegen wenig geachtet. Das wird sich ändern", sagte Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff.

Wer Arnesen in seinen ersten Wochen beim HSV hautnah erlebte, ließ sich schnell in seinen Bann ziehen. Obwohl Hamburgs neuer 2. Vorsitzender fast pausenlos am Mobiltelefon mit Beratern in der ganzen Welt telefonierte, hatte er doch immer Zeit für ein kurzes Gespräch. Als die Tochter von Co-Trainer Frank Heinemann ihren Vater während eines zweitägigen Hollandtrips im Mannschaftshotel besuchte, eilte Arnesen umgehend quer durch die Hotellobby, um sich persönlich vorzustellen: "Hallo, ich bin auch Frank." Arnesen legt keinen Wert auf das förmliche Sie - weder bei den Kindern seiner Kollegen, noch bei Geschäftspartnern.

"Der HSV ist ein großer Verein mit einer großen Geschichte und vielen großen Namen. Jetzt müssen wir alle dafür sorgen, aus diesem Verein wieder etwas Großes zu machen", sagte Arnesen kurz nach seiner Vertragsunterschrift. Sein Name, das steht fest, gehört schon jetzt zu dieser Geschichte.